Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

men und 47 Prozent für „Nein“, dann könn- ten 53 Prozent der Stimmrechte des Fonds für „Ja“ stimmen und 47 Prozent für „Nein“. Man könnte aber auch mit der Mehrheit gehen: Weil die Mehrheit für „Ja“ ist, werden 100 Prozent der Stimmrechte des Fonds für die Entscheidung „Ja“ einge- setzt. Wie man es genau macht, muss dann vorab vom Fonds mitgeteilt werden bezie- hungsweise im Verkaufsprospekt stehen. Könnte man für die einzelnen Nachhaltig- keitsleitlinien unterschiedliche Fondstran- chen haben? So wie luxemburgische Fonds bereits unterschiedliche Tranchen für ver- schiedene Währungen oder Kostenstruktu- ren haben? Oliver Hart: Mit der luxemburgischen Fonds- struktur bin ich leider nicht sehr vertraut. Werden Sie weiter zur Stimmrechtsausübung forschen? Oliver Hart: Ja, gemeinsam mit meinen Ko- autoren Luigi Zingales und Eleonora Broc- cardo gehe ich aktuell der Frage nach, wie sich die Dinge um die Stimmrechte verän- dern. Bisher behandeln wir noch nicht die Frage, wie man das Ganze auf Ebene des Fonds technisch umsetzen könnte. Was wären denn hier die Möglichkeiten? Oliver Hart: Eine Möglichkeit wäre bei- spielsweise, dass institutionelle Investoren ihre Mitglieder fragen, wie sie abstimmen wollen oder welche Trade-offs sie einzu- gehen bereit sind. Oder nehmen Sie das Beispiel des britischen Asset Managers Tumelo in Großbritannien. Die fragen ihre Kunden, wie sie abstimmen wollen. In dem DuPont-Beispiel hätte man fragen können: Sind Sie bereit, 19 Cent zu opfern, um soziale Kosten von netto 331 Millionen Dollar zu vermeiden? Da würde wohl kaum einer „Nein“ sagen! Aber nehmen Sie mal an, die Frage wäre, ob man bereit wäre, 19 Cent für einen gesellschaftlichen Gewinn von 1.000 Dollar zu opfern. Da würden vielleicht schon einige mit „Nein“ stimmen. Und wie wäre es bei 19 Cent für 10.000 Dollar? So lässt sich ausloten, wo bei den Endanlegern die Grenzen sind. So abwegig ist das nicht. Schon heute fragen einige Fonds ihre Anleger nach ihrer Risiko- toleranz. Wo findet die Diskussion über die Stimm- rechtsausübung derzeit statt? In Europa habe ich davon noch nicht viel gehört. Oliver Hart: Leider wird derzeit die Haupt- diskussion über die Stimmrechtsausübung bei Aktiengesellschaften politisch geführt. Insbesondere rechte Politiker in den USA sind der Meinung, dass institutionelle In- vestoren und die großen Fondsgesellschaf- ten zu viel Stimmrechtsmacht haben und zu „woke“ sind. Es wird bemängelt, dass sie Umweltgesichtspunkte vor Profitmaximie- rung stellen würden. Ich sehe das anders: Solche Fragen – wie das Verbrennen eines Schadstoffs oder das Einleiten in die Um- welt – sollten weder vom CEO noch vom Board of Directors und auch nicht von den institutionellen Investoren beantwortet werden! Sie gehören vielmehr in die Hände von dir und mir, also in die Hände der End- investoren. Halten Sie in dem Zusammenhang CO 2 - Emissionsrechte für eine Lösung? Oliver Hart: Wenn die Unternehmen für die von ihnen verursachten gesellschaftlichen oder Umweltschäden zahlen müssen, sind die Dinge wieder aligned. Gehen wir zum DuPont-Beispiel zurück: Wenn DuPont damals für die Verschmutzung hätte zahlen müssen, wäre die Sache klar gewesen. Dann hätte DuPont selbstverständlich 19 Millionen Dollar aufgewendet, um den Schadstoff zu verbrennen, anstatt später eine Rechnung in Höhe von 350 Millionen Dollar zu zahlen. Und die Aktionäre wür- den genauso entscheiden. So wäre jeder happy. Wir danken für das Gespräch. ANKE DEMBOWSKI » Institutionelle Investoren sollten ihre Mitglieder fragen, wie sie abstimmen wollen oder welche Trade-offs sie einzugehen bereit sind. « Prof. Dr. Oliver Hart, Harvard-Professor und Nobelpreisträger 54 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. DR . OL I VER HART | HARVARD FOTO: © CHRISTIAN FLEMMING

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