Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

viel gewonnen. Eigentlich müsste der End- investor die auf ihn anfallenden Stimm- rechte ausüben dürfen. Derzeit gibt es in den USA politischen Druck, dass es dahin gehen soll. Sie hatten noch ein weiteres US-Beispiel genannt … Oliver Hart: Ja, es gibt ein weiteres Beispiel. Engine No. 1, ein kleiner US-Hedgefonds, wurde bekannt dafür, dass er es letztes Jahr geschafft hat, drei seiner Leute ins Board von ExxonMobil zu bekommen – gegen den Willen von ExxonMobil. Engine No. 1 selbst hat gar nicht so viele Stimmrechte, wurde bei seinem Vorhaben aber von eini- gen großen Fondsgesellschaften wie Black- Rock, Vanguard, State Street und einigen Pensionsfonds unterstützt. Engine No. 1 ar- gumentierte, dass ExxonMobil nicht nur schlecht wirtschaftete – bezogen auf den langfristigen Return –, sondern auch schäd- lich für die Umwelt sei. Diese Aktion brachte Engine No. 1 viel Aufmerksamkeit, und mit diesem Erfolg im Rücken legten sie einen neuen Fonds auf, den S&P-500-In- dexfonds „Vote“. Es handelt sich dabei um einen Engagement-Fonds, der die Portfolio- unternehmen dazu bringen will, grüner zu werden. Sie veröffentlichen ihre Stimm- rechtsausübung in Realtime und zeigen ihre Abstimmungspräferenzen sogar im Vorfeld. Wie wird es weitergehen mit den Stimm- rechten, die die großen Asset Manager halten? Oliver Hart: Die Überlegungen könnten wei- tergehen in die Richtung, die ich beschrie- ben habe. Fonds könnten entweder jeweils im Einzelfall ihre Anteilseigner fragen, wie die Fondsgesellschaft auf der Hauptver- sammlung bei den einzelnen Fragen abstim- men sollte. Alternativ könnte der Fonds von vornherein mitteilen, nach welcher Nach- haltigkeitsleitlinie er abstimmt, beispiels- weise nach einer ökologischen oder eher nach einer sozialen Leitlinie oder gemäß christlichen Glaubensgrundsätzen – und so weiter. Im ersten Fall, bei dem die Anteilseigner gefragt werden, wie abgestimmt werden soll, wie soll denn dann die Fondsgesell- schaft am Ende abstimmen, wenn nicht ein- heitlich abgestimmt wird? Oliver Hart: Wenn beispielsweise 53 Prozent bei einer bestimmten Frage für „Ja“ stim- » Aktionäre entscheiden in Sachen Nachhaltigkeit meistens besser als die Unternehmensführung. « Prof. Dr. Oliver Hart, Harvard-Professor und Nobelpreisträger Forschung und Lehre zu Vertragsrecht Oliver Simon D’Arcy Hart wurde 1948 in London geboren. Er studierte Mathematik am King’s College (Cambridge) und Wirtschaftswissenschaften an der University of Warwick. Nach seiner Promo- tion 1974 an der Princeton University war er am Churchill College und als Professor an der London School of Economics and Political Science tätig. Seit 1984 lebt er wieder in den USA, und er hat die US-Staatsangehörigkeit angenommen. Nach Tätig- keiten am Massachusetts Institute of Technology lehrt er nunmehr seit 1993 an der Harvard Univer- sity. Harts Forschungsschwerpunkte sind Vertrags- theorie, Theorie des Unternehmens und Corporate Finance. Er ist der Meinung, dass Verträge zwangsläufig unvollständig sind und die Verfügungsrechte daher eine hohe Bedeutung haben. 2016 erhielt er zusammen mit Bengt Holmström den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Beiträge zur Vertragstheorie. Hart ist verheiratet mit Rita Goldberg, Literaturprofessorin in Harvard, und hat zwei Kinder. 52 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. DR . OL I VER HART | HARVARD FOTO: © CHRISTIAN FLEMMING

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