Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

seinen CO 2 -Footprint zu reduzieren, dann hat das keinen Einfluss auf die verbleiben- den Investoren. Die sind dann immer noch Aktionäre in einem Unternehmen, das nach wie vor die Umwelt verschmutzt. Die Einstellung der Menschen, die ihre Aktien verkaufen, beeinflusst nämlich nicht die Aktionen der Aktionäre, die investiert bleiben. Auf der anderen Seite kann die Mehrheit der Stimmrechte das gesamte Unternehmen bewegen. Das ist ein ganz anderer Mechanismus. Der Gedanke ist aber doch, dass der Ver- kauf der Aktien den Aktienkurs nach unten bringt und dass das eine Art Abschreckung ist. Oliver Hart: Das mag sein, aber wenn einige Aktionäre ihre Anteile verkaufen, werden die Aktien an der Börse von anderen Inves- toren gekauft. Die Anzahl der Aktien bleibt ja gleich. Vielleicht freuen sich die Käufer über den günstigen Aktienkurs, zu dem sie kaufen können. Hedgefonds sehen den Exit der verkaufenden Anleger womöglich als eine gute Opportunität. Im Regelfall bleibt der Aktienkurs aufgrund von Protestver- käufen nicht für lange Zeit niedrig. Daher werden die verbleibenden Aktionäre nicht durch einen niedrigeren Aktienkurs „be- straft“, und hinsichtlich des Nachhaltigkeits- verhaltens des Unternehmens wird am Ende nichts erreicht. Könnten Sie uns ein Beispiel geben? Oliver Hart: In unserem Paper betrachten wir einen Fall, der bei DuPont im Jahr 1984 aufgetreten ist. Damals fiel bei DuPonts Teflon-Produktion die toxische Substanz PFOA an, und DuPont musste entscheiden, was es damit machen sollte. Die einfache Lösung war, es in den Ohio River einzu- leiten; die etwas aufwendigere Lösung war, es zu verbrennen. Mein Koautor hat ermit- telt, dass die Kosten der Verbrennung bei 19 Millionen Dollar gelegen hätten, in Kaufkraft von 1984. Auf der anderen Seite verursachte die PFOA-Einleitung in den Fluss Krankheiten und Todesfälle, und meine Koautoren haben die Kosten für die- se Schäden auf 350 Millionen US-Dollar geschätzt, ebenfalls in Kaufkraft von 1984. Bei Betrachtung der beiden Größen – 19 versus 350 Millionen Dollar – hätte jeder Ökonom zu der günstigeren Variante gera- ten. Damals gab es aber keine Regulierung, die die Einleitung der toxischen Substanz verboten hätte. Obwohl DuPont 1984 bereits bekannt war, dass die Substanz giftig ist, hat man sie in den Fluss eingeleitet, da- bei allerdings nicht gegen geltendes Recht verstoßen. DuPonts Management hat da- mals die Möglichkeit eines Rechtsstreits zur Einleitung der Substanz als gering einge- schätzt. Unter der Zielvorgabe der Profit- maximierung hat sich das Management daher entschieden, die Substanz in den Ohio River einzuleiten. Und wie hätten Ihrer Meinung nach damals bei einer solchen Fragestellung die Aktio- näre gestimmt? Oliver Hart: Gehen wir von einem durch- schnittlich wohlhabenden Aktionär aus, der beispielsweise 500.000 US-Dollar über einen Indexfonds in den US-Aktienmarkt investiert hat, so wie es heute so oft prakti- ziert wird. Eine solche Person würde einen bestimmten Anteil an jedem gelisteten US- Unternehmen halten, also auch an DuPont. Wenn dieser Aktionär über die Verbrennung der Substanz für 19 Millionen US-Dollar abstimmen müsste, würde das bei ihm im Portemonnaie 19 Cent ausmachen – über eine geringere Dividende oder einen nie- drigeren Aktienkurs. Dieser Aktionär müss- te also darüber abstimmen, ob er bereit ist, » Die Stimmrechts- ausübung ist ein mächtiges Instrument. « Prof. Dr. Oliver Hart, Harvard-Professor und Nobelpreisträger 48 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. DR . OL I VER HART | HARVARD FOTO: © CHRISTIAN FLEMMING

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