Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

zeigt einen jungen Mann Anfang 20 wäh- rend seiner Arbeit beim Einräumen eines Supermarktregals. Beim Anblick der leeren Regale für ein bestimmtes Produkt zögert er nicht lange und tippt kurzerhand eine Kauf- order für den Hersteller des betreffenden Produkts in sein Handy ein. Und schon ist ein neues Narrativ geboren. Wenn man den Ausführungen in Ihrem Buch folgt, scheinen Sie auch von Kryptowährun- gen nicht sehr viel zu halten. Robert Shiller: Wundert Sie das? Wenn wir ehrlich sind, dann ist die Schaffung einer inzwischen kaum noch überschaubaren Zahl an unterschiedlichen Kryptowährun- gen doch so etwas wie die Manifestation des irrationalen Überschwangs. Man hat damit im Grunde ein völlig neues Universum an sogenannten Vermögenswerten geschaf- fen, die im Prinzip nur zum Ziel haben, ge- handelt zu werden. Man kreiert gewisser- maßen Volatilität um ihrer selbst willen. Was im Übrigen auch auf sogenannte NFT, (Non Fungible Token) zutrifft. Wobei es sich dabei zugegeben um ein neues Narrativ handelt, das gewissermaßen eine Menge an eigenen Stärken mitbringt. Wie meinen Sie das? Robert Shiller: Eine dieser Stärken als Narra- tiv besteht darin, dass Kryptowährungen im Vergleich zu anderen Investmentformen sehr sophistiziert daherkommen, auch wenn sie am Ende opak und weitgehend undurch- sichtig bleiben. Wer sich abfällig darüber äußert und behauptet, es handle sich ledig- lich um einen weiteren Weg, Anleger hin- ters Licht zu führen, kann dadurch leicht gebrandmarkt werden als jemand, der eben nicht versteht, was eine Kryptowährung überhaupt ist. Auch die um das Thema herum aufgebaute Theorie und Praxis behält immer eine Art Nimbus des Geheimnis- vollen. Aber was halten Sie von der Technologie dahinter, sprich der Blockchain als dezen- tralem System, das sich gewissermaßen selbst reguliert? Robert Shiller: Ehrlich gesagt, frage ich mich, worin der tatsächliche Nutzen einer dezentral organisierten Technologie am Ende wirklich bestehen würde? Oder ist sie nicht eigent- lich auch lediglich eine neue Erzählung, die uns glauben machen soll, es brauche nie- manden, der sich um die Regulierung von Märkten kümmert, dezentral organisiert würden diese auch ohne Regulator funktio- nieren. Entstanden ist dieses Narrativ in der Zeit der Finanzkrise, als viele Menschen das Vertrauen in regulierte Märkte verloren hatten – und das, zugegeben, nicht zu Un- recht. Aber dann stellt sich mir als Erstes die Frage, wie lange es angesichts eines im- mer schneller voranschreitenden technologi- schen Fortschritts wohl dauern würde, bis ein noch schnellerer Suchalgorithmus in der Lage wäre, die Schwachstellen zu finden, die auch eine Technologie wie Blockchain ohne Zweifel haben dürfte. Nur dass wir Sie richtig verstehen: Dann plädieren Sie für ein Mehr an Regulierung? Robert Shiller: Ich würde es so ausdrücken: So viel Regulierung wie nötig, aber so wenig wie möglich. Was wäre an einem solchen System denn schlecht? Jeder, der schon einmal betrogen wurde, freut sich darüber, wenn eine übergeordnete Instanz dafür sorgt, dass er seinen Verlust ersetzt bekommt, wenn auch vielleicht nur zu einem Teil. Und ohne nun am Ende noch allzu philosophisch zu werden: Aber wenn ich manches Plädoyer für möglichst befreite Märkte höre, dann mache ich mir Sorgen um unsere Zukunft. Wir haben doch schon genug Probleme damit, den drohenden Klimawandel so gut wie möglich in den Griff zu bekommen in einer zunehmend gespaltenen und von wachsendem Miss- trauen geprägten Gesellschaft. Da erscheint es mir auf jeden Fall sinnvoller, auf Regu- lierungsbehörden zu vertrauen, solange die sich ernsthaft für Menschen in deren Sinne einsetzen. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Die Menschen neigen ganz offensichtlich immer mehr dazu, Anlageentscheidungen nicht auf der Basis von rationalen Erwägungen anhand von fundierten Daten und Zahlen zu treffen. « Robert Shiller, Professor an der Yale University 42 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. ROB ERT J . SH I L L ER | YAL E FOTO: © ROBERT A. LISAK

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