Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

Robert Shiller: Ehrlich gesagt, fühle ich mich eigentlich gar nicht dazu berufen, irgendwie geartete Kursprognosen zu stellen. Aber ich fürchte, Sie werden am Ende recht behalten. Mich ermahnt eine Situation, wie wir sie gerade durchleben, mich auf einen Satz von Franklin D. Roosevelt zu besinnen, den er bereits 1933 in seiner Antrittsrede als Präsi- dent formuliert hat. Er lautet: „Das Einzige, was wir wirklich fürchten müssen, ist die Furcht selbst.“ Was für viele Investoren aktuell wohl auch kein besonderer Trost sein dürfte. Aber kön- nen Sie denn anhand Ihrer Daten erkennen, dass wir uns in einem massiven Wechsel vom Überschwang hin zu Angst und De- pression befinden? Gibt es Belege aus der Geschichte, die das nahelegen? Robert Shiller: Man kann durchaus Vergleiche zu bestimmten Entwicklungen in der Bör- sengeschichte ziehen. Zum Beispiel zu Phänomenen, wie sie im Vorfeld von über- schwänglichen Marktentwicklungen wie 1929 oder vor den 1920er-Jahren aufge- treten sind, nach denen es am Ende zu einem regelrechten Zusammenbruch der Aktienmärkte gekommen ist. In beiden Fäl- len gab es eine Reihe von Unternehmen, die versucht haben, eine breitere Öffentlichkeit gewissermaßen durch einen spielerischen Zugang für die Börse zu begeistern. In welcher Form? Robert Shiller: Man hat zum Beispiel ver- sucht, Frauen für das Thema Investment zu gewinnen, indem man ihnen gesonderte Kundenräume zur Verfügung gestellt hat, ausgestattet mit einer Art Börsenticker. Dazu muss man wissen, dass Investieren zuvor im Grunde nur von Männern aktiv betrieben wurde. Zu den neuen Räumlich- keiten hatten Männer keinen Zugang, damit die Frauen sich unbehelligt vom Zigarren- rauch der Männer möglichst wohl fühlen konnten. Im Grunde sind wir damit wieder beim schon angesprochenen Stichwort „Gamification“ des Kapitalmarktes. Nur sind es heute keine gesonderten Börsensäle für Frauen mehr. Sondern? Robert Shiller: Zum Beispiel die Apps und Internetanwendungen von sogenannten Neobrokern wie Robinhood.com. Das Un- ternehmen spricht mit seinen Werbespots durchaus gezielt und aggressiv insbesondere junge und unerfahrene Anleger an, indem es versucht, Investment wie ein Spiel aussehen zu lassen, bei dem man ohne großartige Eintrittshürden über ein einfaches Smart- phone mitspielen kann. Eine der Anzeigen » Ehrlich gesagt, fühle ich mich eigentlich gar nicht dazu berufen, irgendwie geartete Kursprognosen zu stellen. « Robert Shiller, Professor an der Yale University Erfolgsautor, Nobelpreisträger und Crash-Prophet Robert Shiller ist Professor am Department of Economics der Yale University in New Haven. Weltweiten Ruhm erlangte er durch sein 2000 erschienenes Buch „Irrational Exuberance“, was so viel wie irrationale Übertreibung bedeu- tet. Das Werk, das in 15 Sprachen übersetzt wurde, erschien im Jahr 2000, was im Zusammenhang mit dem Platzen der Technologieblase der Neuen Märkte für erhebliche Aufmerksamkeit am Markt sorgte. Es folgte eine Reihe weiterer Werke, darunter „Animal Spirits“ (2009) und „Phishing for Phools“ (2015), die Shiller gemeinsam mit seinem Wissenschaftskollegen George Akerlof von der George- town University verfasst hat. In seinem jüngsten Buch „Narrative Economics“ (2019) hat sich Shiller dem Phänomen gewidmet, dass es die Geschichten und Erzählungen, die Menschen untereinander austauschen, sind, die den Verlauf von Wirtschaft und Kapitalmärkten wesent- lich beeinflussen. Shiller gilt als begeis- terter „Datensammler“. Schon in den 1980er-Jahren entwickelte er zusam- men mit Karl E. Case und Allan Weiss den Case-Shiller-Index, der die Entwicklung des US-amerikanischen Immobilienmarktes widerspiegelt. Im Jahr 2013 wurde der US-Ökonom gemeinsam mit Eugene Fama und Lars Peter Hansen mit dem Wirtschafts- Nobelpreis ausgezeichnet. 40 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. ROB ERT J . SH I L L ER | YAL E FOTO: © ROBERT A. LISAK

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