Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

D ie angesichts einer dro- henden Rezession hoch- gradig volatilen Märkte, der Krieg in der Ukraine und die infolge der Energiekrise anhal- tend ungünstigen Inflationszahlen hal- ten professionelle Kapitalanleger in Atem. Entsprechend enger will die Auf- sicht den Puls messen, um rechtzeitig gegenlenken zu können, falls eine Pen- sionskasse in Schieflage geraten sollte. Daher ist davon auszugehen, dass es Einrichtungen der betrieblichen Alters- versorgung (EbAV) keineswegs lang- weilig wird – sicher auch nicht aus re- gulatorischer Sicht. Günther Weißenfels, Leiter des Grundsatzreferats für EbAV bei der BaFin, berichtete am Pensionskassentag von Willis Towers Watson (WTW) am 30. Juni in Frankfurt über die aktuellen Ent- wicklungen bei Pensionskassen aus Sicht der Aufsichtsbehörde. Was die Kassen der- zeit stark beschäftigt, ist die eigene Risiko- beurteilung (ERB), die teilweise ein Äqui- valent zum ORSA (Own Risk and Solvency Assessment) für Versicherungsunternehmen darstellt (siehe Beitrag zu diesem Thema in diesem Heft) . Stresstest-Jahr 2022 Daneben fällt in diesem Jahr erneut ein Stresstest an – der letzte EIOPA-Stresstest für EbAV fand 2019 statt. Während es da- mals in erster Linie um die Asset-Liability- Konzepte ging, handelt es sich dieses Jahr um einen Klimastresstest, an dem insgesamt 21 betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen teilgenommen haben. Die Teilnehmer wur- den bereits Anfang des Jahres informiert, und derzeit werden die von den Unterneh- men eingereichten Ergebnisse ausgewertet. Weißenfels stimmte die Teilnehmer auch darauf ein, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Deutsch- land erstmals eine nationale Bestandsauf- nahme zu den Kosten und Gebühren bei EbAV durchführen wird. Ein regelmäßiges Kostenberichtswesen gibt es bisher nur in einigen EU-Ländern, beispielsweise in den Niederlanden und in Italien. Allerdings erscheine es sinnvoll, mit dem Start dieser Erhebung zu warten, bis die Fondsindustrie die PRIIP-Verordnung umgesetzt habe und die EbAV mit den entsprechenden Zahlen versorgen könne. Basis ist die EIOPA- Opinion zu „Costs and Charges“, die zwar keinen Rechtscharakter hat, aber klarmacht, wohin die Reise gehen soll. Besonders herausfordernd dürfte für die Kassen die Ermittlung aller Kapitalanlagekosten und der gesamten Transaktionskosten sein. Weitergehen wird es auch mit der VAG- Anzeigevorordnung zu Ausgliederungen. „Dieses Jahr wird dazu etwas kommen“, kündigte Weißenfels an. Ziel der systema- tischeren Erfassung sei es unter anderem sicherzustellen, dass die BaFin im Fall von IT-Vorfällen schnell die betroffenen (Sub-) Dienstleister kontaktieren kann. Stille Reserven schmelzen ab Wie die EbAV mit den steigenden Zinsen zurechtkommen, muss sich noch zeigen. Von den rund 30 Milliarden Euro an stillen Reserven, die sie aufgebaut hätten, sei Ende des ersten Halbjahres 2022 bereits die Hälfte abgeschmolzen, gab Weißenfels zu bedenken. Zinsinduzierte Unterdeckungen zu Zeitwerten im Sicherungsvermögen würden jedoch von der BaFin akzeptiert, wenn die Unternehmen die Papiere bis zur Endfälligkeit halten können und wollen. Abschreibungen allein aufgrund des Zins- anstiegs seien nach Kenntnis der Aufsicht nicht erforderlich. „Diese Frage müssen die Unternehmen aber mit ihrem Wirt- schaftsprüfer klären“, so Weißenfels. Aufgrund der bisherigen Kapital- marktentwicklung im Jahr 2022 sei davon auszugehen, dass sich einige Sze- narien aus dem Stresstest 2021 bereits realisiert hätten. Bei Fortdauer der Ent- wicklung drohe Ende 2022 eventuell ein BaFin-Stresstest bezüglich der ohne- hin schon gestressten Bilanz. Die Zahl der Unternehmen, die im Stresstest Schwierigkeiten bekommen, könne dann ansteigen. „Natürlich ist das Be- stehen des Stresstests und damit eine ausreichende Risikotragfähigkeit sehr wichtig“, stellte Weißenfels klar. Pro- bleme im Stresstest bedeuteten aber nicht sofortige Maßnahmen durch die BaFin. Vielmehr werde die Situation mit dem Unternehmen analysiert und das weitere Vorgehen abgestimmt. Weitere Konsolidierung „Für kleinere Pensionskassen wird es vermutlich schwierig, den in den letzten Jahren nicht nur an den Kapitalmärkten gestiegenen Anforderungen zu begegnen“, so Weißenfels. Dabei verwies der Aufseher auf den Konsolidierungsprozess in Deutsch- land, der bereits mit Auflösungen einiger Pensionskassen und entsprechenden Be- standsübertragungen im Gange sei. Dieses Jahr würden vermutlich fünf weitere Pen- sionskassen aufgelöst. „Sollte auch Ihre Kasse in diese Situation kommen, sprechen Sie Ihren Aufseher oder auch mich an“, empfahl Weißenfels den Unternehmen. Die BaFin begleite Auflösungsvorhaben eng und stelle auch Kontakt zu aufnahmewilli- gen anderen Pensionskassen her. „Beim der- zeitigen Zinsniveau lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass gegebenenfalls noch nega- tive Kaufpreise für die Bestände nötig wer- den“, schätzte Weißenfels die Lage ein. ANKE DEMBOWSKI Stresstest für EbAV Günther Weißenfels, Leiter des Grundsatzreferats für EbAV bei der BaFin, informiert die EbAV beim WTW-Pensionskassentag 2022 über die Entwicklungen bei Pensionskassen aus Sicht der Aufsichtsbehörde. Nicht nur die Märkte, sondern auch regulatorische Themen bereiten EbAV weiterhin Kopfschmerzen: eigene Risikobeurteilung (ERB), Klima- stresstest, Kostenbetrachtung, Ausgliederungen, Marktkonsolidierung. 272 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | E BAV- REGULATOR I K FOTO: © ANKE DEMBOWSKI | INSTITUTIONAL MONEY

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