Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

überschaubarer Kreis an Banken in dieser „Assetklasse“. An der EEX in Leipzig sind aktuell folgende Banken als Handelsteilneh- mer registriert: Bayerische Landesbank, Commerzbank, Goldman Sachs, J.P. Mor- gan und UniCredit. Nationale Emissionszertifikate Von politischer Seite wird die Entwick- lung vorangetrieben, sodass neben den europäischen Allowances auch nationale Emissionszertifikate eingeführt wurden. Beispielsweise hat Deutschland im Dezember 2019 das „Brennstoffemis- sionshandelsgesetz – BEHG“ verab- schiedet. Es verpflichtet seit 2021 Unternehmen, die Brennstoffe in Ver- kehr bringen, dazu, Zertifikate zu kau- fen. Betroffen sind Inverkehrbringer von Ottokraftstoffen, Diesel, Erdgas und Heizöl, später auch von Braun- und Steinkohle. Bei Erdgas werden die Lie- feranten auf der letzten Handelsstufe verpflichtet, bei Mineralölprodukten sind die Inverkehrbringer auf der ersten Handels- stufe verpflichtet, sprich: die Produzenten oder Importeure. Nach Schätzung der Bundesregierung werden rund 4.000 Unter- nehmen an diesem nationalen Zertifikate- handel teilnehmen. „Ich kann mir vorstel- len, dass viele der Inverkehrbringer noch gar nicht wissen, dass sie seit 2021 unter diese Regelung fallen. Aber die Strafen sind drastisch“, meint Powels. Diese Zertifikate werden während der Einführungsphase (2021–2025) von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zum Festpreis verkauft. Der lag im Jahr 2021 bei 25 Euro pro Tonne CO 2 und steigt kontinuierlich an. Ab 2026 sollen die Emis- sionsrechte dann per Auktion versteigert werden, wobei ein Preiskorridor zwischen 55 und 65 Euro pro Zertifikat festgelegt wurde. Die Kosten für diese Zertifikate zah- len am Ende die Verbraucher von Brenn- stoffen. Laut Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) stieg durch die Einführung der CO 2 -Bepreisung der Preis für einen Liter Kraftstoff 2021 um etwa sieben Cent und der für einen Liter Heizöl um rund 15 Cent. Bei den nationalen Emissionszertifikaten handelt es sich zurzeit um einen rein pro- fessionellen Handel der Industrieunter- nehmen. Finanzmarktakteure spielen dort bislang noch keine Rolle. „Offsets“ sind freiwillig Nimmt man die freiwilligen Zertifikate – auch Offsets genannt – ins Visier, geht die Differenzierung weiter. Dabei werden die freiwilligen Zertifikate zur Kompensation von erlaubter Verschmutzung und auch im Marketing eingesetzt. Sie funktionieren so: Dort, wo sich CO 2 -Emissionen nicht ver- meiden lassen, aber noch nicht reguliert wurden, kann der unvermeidbare Teil der Emissionen durch sogenannte Senkenpro- jekte kompensiert werden. Dabei handelt es sich um Klimaschutzprojekte, deren Ziel es ist, der Atmosphäre Kohlenstoff zu entzie- hen und in Biomasse einzubinden. Geeignet sind hier Projekte in Acker- und Grünland- bewirtschaftung, Ödlandbegrünung oder Aufforstung, aber manche stellen auch ener- gieeffiziente Kochöfen für Entwicklungs- länder her. „Obwohl die Bemühungen zur Verifizierung und Standardisierung dieser Offsets in den letzten Jahren große Fort- schritte gemacht haben, gibt es immer noch Bedenken hinsichtlich ihrer Legitimität, was die Entwicklung dieser Märkte gebremst hat“, erklärt Bobby Blue von Morningstar. So lassen sich beispielsweise bei einer Flugreise, einer Konferenz oder einem Paketversand durch Zahlung eines Zusatz- betrags die verursachten CO 2 -Emissionen kompensieren. Die Beträge fließen dann in das jeweilige Klimaschutzprojekt. Um diesen freiwilligen Zertifikaten eine Mindesttransparenz und -glaubwürdigkeit zu verleihen, gibt es Audits und Zertifizierer wie Verra Verified Carbon Standard, Gold Standard, Clean Development Mechanism oder Plan Vivo. Sie wollen dafür sorgen, dass Zertifikate nur bei tatsächlich erfolgter CO 2 -Minderung ausgegeben werden und dass diese auch dauerhaft ist. Damit soll den privatwirtschaftlich initiierten Kompensatio- nen mehr Glaubwürdigkeit verliehen wer- den, was zuweilen auch klappt. Beispiels- weise schreibt die Commerzbank auf ihrer Homepage: „Bei der Kompensation der CO 2 -Emissionen, die im Rahmen von dienstlichen Flugreisen entstehen, gehen wir noch einen Schritt weiter und ziehen Kom- pensationsprojekte der höchsten Güteklasse heran (Gold-Standard).“ Ein wichtiger Begriff in diesem Zusam- menhang ist „Additionalität“. Das bedeutet, dass eine zusätzliche CO 2 -Minderung erfol- gen muss, die nicht ohnehin realisiert wor- den wäre, oder dass eine vermiedene Emis- sion nicht mehrfach gezählt wird, beispiels- weise einmal beim Waldbesitzer und ein anderes Mal beim Bauherrn, der bei einem Neubau Holz statt Beton verwendet. Trotzdem stehen freiwillige CO 2 -Zertifi- kate oft in der Kritik. So bemängelte die Fernsehsendung „Frontal“ in diesem Som- mer, dass die als „klimaneutral“ bezeichne- ten Produkte von Aldi, die vom Münchner Klimaschutzpartner ClimatePartner zertifi- ziert wurden, gar nicht so klimaneutral sind, wie sie vorgeben. Noch kein globaler Markt Obwohl der Markt mit Emissionsrechten bereits seit einigen Jahren läuft, lässt sich noch nicht von einem reifen Markt spre- chen. „Noch haben wir das Handicap, dass es sich beim Markt für CO 2 -Allowances um relativ regionale Märkte handelt, der Markt als solches also stark fragmentiert ist. Er ist zwar im Aufbau begriffen, funktioniert aber noch nicht global“, meint Tobias Bockholt, der bei Willis Towers Watson (WTW) das Investment Consulting für Deutschland leitet. Seiner Meinung nach wäre es gut, wenn sich ein einheitlicher Standard entwickeln würde. „Inzwischen haben sich regionale Ansätze etabliert, die teilweise führend sind. Die könnten sich womöglich als global anerkannter Standard durchsetzen“, meint Bockholt. In Kalifornien funktioniere der Markt aufgrund der Regulierung derzeit am besten, weshalb auch das Vertrauen in die » Beim Markt für CO 2 -Allowances handelt es sich um regionale Märkte, der Markt ist stark fragmentiert. « Tobias Bockholt, Leiter Investment Consulting Deutschland, Willis Towers Watson (WTW) Frankfurt 218 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | CO 2 - HANDE L FOTO: © STS | STEPHAN SCHEIBEL

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