Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

zesse. „Wir versuchen, unseren Energie- bedarf einzudämmen, insbesondere beim Transport unserer Gase“, so von Scheele. Einzelne Länder beziehungsweise Regio- nen haben ihre CO 2 -Reduktionsziele öffent- lich bekanntgegeben. Die EU will bis 2050 der erste Kontinent sein, der nur noch un- vermeidbare Treibhausgase ausstößt und diese wenigen Emissionen vollständig aus- gleicht. Als Zwischenziel will die EU bereits 2030 eine CO 2 -Reduktion von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen („Fit for 55“). Kanada und die USA wollen bis 2050 klimaneutral wirtschaften, und auch China, aktuell das Land mit den höchsten Emissio- nen, plant, bis 2060 CO 2 -neutral zu werden. Insofern streben alle zum selben Ziel. Zur Verwirrung trägt bei, dass es zwei Welten für Verschmutzungsrechte gibt: die staatlich kontrollierten, die von staatlichen Stellen ausgegeben werden, und die ande- ren, „freiwilligen“ Zertifikate. In beiden Welten müssen die CO 2 -Zertifikate von glaubwürdigen Stellen ausgestellt werden. Andernfalls kommt es zu einer Flut un- glaubwürdiger Zertifikate, die am Ende nichts wert sind, und schon gar nicht die Atmosphäre retten können. European Allowances (EUA) Um die EU in die Lage zu versetzen, ihre ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, wurde von EU-Parlament und EU-Rat ein europäi- scher Emissionshandel (European Union Emissions Trading System, EU-ETS) ins Leben gerufen, der am 1. Januar 2005 star- tete. „Mit dem europäischen Emissionshan- del werden etwa 40 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Europäischen Union erfasst“, teilt das deutsche Umwelt- bundesamt mit. Im ersten Schritt wurden die großen Verschmutzer wie Energie-, Eisen- und Stahlproduzenten sowie Zement- fabriken einbezogen. Das waren rund 13.000 europäische Unternehmen, und der Kreis wird nach und nach ausgeweitet. Das EU-ETS weist den Mitgliedsstaaten konkrete Obergrenzen für die Treibhausgas- emissionen ihrer Industrie zu. Die Mit- gliedsstaaten müssen dann sehen, wie sie dafür sorgen, dass in ihrem Land die Ober- grenzen eingehalten werden. „Österreich macht das über Steuern, und in Deutschland werden den Anlagenbetreibern nach einem bestimmten Mechanismus kostenlose Emis- sionsrechte zugeteilt, und diese Zuteilungen reduzieren sich jährlich. Bis 2025 sollen sie auf null runtergefahren werden“, erklärt Stefan Powels, Kapitalmarktexperte und Mitinitiator eines Karbonzertifikats. Reichen die zugeteilten Emissionsrechte nicht aus, muss das Unternehmen zukaufen. Das kann über Auktionen geschehen oder über den Sekundärmarkt. Hat der Anlagenbetreiber zu viele, kann er Berechtigungen verkaufen. „Während der Corona-Pandemie musste die Lufthansa beispielsweise viele ihrer Flüge streichen und konnte daher Emissionsrechte am Markt verkaufen“, so Powels. So können die Unternehmen für sich ent- scheiden: Lohnt es sich, Zertifikate zu kau- fen, oder eher, die Emissionen zu reduzie- ren? Politischer Wille ist, dass die Groß- industrie durch die Bepreisung der Luftver- schmutzung dazu getrieben wird, sich um saubere Technologien zu bemühen. Dabei entspricht ein „Carbon Credit“ einer Tonne Kohlendioxid oder einer be- stimmten Menge andere Treibhausgase, denen ein Kohlendioxidäquivalent zugeord- net wird. Dass ein CO 2 -Credit einer Tonne Kohlendioxid entspricht, dürfte die einzige Gemeinsamkeit sein, die die vielen ver- schiedenen Zertifikatetypen haben. Wie es zur Berechnung und Ausgabe der Zertifi- kate kommt, ist allerdings höchst unter- schiedlich. Allowances Innerhalb der EU werden die offiziellen Emissionsrechte als European Union Allo- wances (EUA) oder European Emission Allowances (EEA) bezeichnet. Die deutsche Emissionshandelsstelle ist beim Umwelt- bundesamt angesiedelt. Sie versteigert die EUA im Rahmen von Auktionen. Damit sich keiner auf den EU-Allowances ausru- Ausgabe und Handel mit Verschmutzungsrechten erinnern an den Ablasshandel der katholischen Kirche im Mittelalter. Allerdings lässt sich nicht sicher belegen, ob der damalige Kauf eines Ablassbriefs zu einem besseren Leben nach dem Tod führte. Die Wirksamkeit von Marktmechanismen auf die Verschmutzungstätigkeit von Unternehmen ist hingegen nicht abzustreiten. N o. 3/2022 | www.institutional-money.com 215 P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | CO 2 - HANDE L

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