Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

aber noch viele Unternehmen in der Pla- nungs- oder Umsetzungsphase beziehungs- weise haben gerade erst damit begonnen, entsprechende Projekte aufzusetzen. Etwas mehr als die Hälfte der Rückmel- dungen besagt, dass sich die Unternehmen konkrete Nachhaltigkeitsziele setzen und ein bestimmtes „Alignment“ anstreben. Ein Beispiel ist die Ausrichtung der eigenen Geschäftstätigkeit an den Zielen des Pariser Klimaabkommens, womit dann ein konkre- ter Dekarbonisierungspfad vorgegeben wird. In der Folge muss die Bereitstellung von Kapital in bestimmten Zeitschritten mit kontinuierlich sinkenden Treibhausgasemis- sionen verbunden sein, sodass das Unter- nehmen am Ende keinen Beitrag mehr zur Klimaerwärmung leistet. Etwa ein Drittel der Unternehmen setzt auch ein aktives „Engagement“ beziehungs- weise spezielle Anforderungen an Kun- den/Dritte ein. Hier geht es um die gezielte Einflussnahme als Investor auf unternehme- rische Entscheidungsprozesse, insbesondere mit dem Ziel, durch einen aktiven Dialog die wirtschaftliche Realität in Richtung eines verantwortlichen Wirtschaftens und einer nachhaltigen Entwicklung zu steuern. Als Methoden zur Identifikation von Nachhaltigkeitsrisiken nutzen die Umfrage- teilnehmer überwiegend Portfolioanalysen (64 Prozent) sowie ESG-Due-Diligence bei Kreditvergaben, Investitionsentscheidungen sowie Zeichnung (57 Prozent). Was die Bewertung betrifft, bedienen sich mehr als drei Viertel der Unternehmen bis- lang der Expertenschätzung. Quantitative Methoden sind hier die Ausnahme, da es vielen Unternehmen noch an einer entspre- chenden Datengrundlage fehlt. Hier er- mahnt Dr. Frank Grund, BaFin-Exekutiv- direktor für Versicherungs- und Pensions- fondsaufsicht, auf der GDV-Konferenz am 5. Juli 2022: „Unsere Umfrage hat gezeigt, dass Versicherer beim Thema Strategie bereits gut aufgestellt sind. Aber da, wo es um quantitative Dinge geht, sehen wir noch Nachholbedarf – beispielsweise bei der Fra- ge, was eine Erwärmung um zwei Grad für das Unternehmen bedeutet.“ Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer setzt bereits ESG-Ratings ein, um die Nach- haltigkeit von Vertragspartnern und Investi- tionsobjekten zu beurteilen. Die übrigen Unternehmen sehen die Verwendung von ESG-Ratings für die Zukunft vor. Als An- bieter solcher Ratings nutzen die befragten Unternehmen in erster Linie spezielle ESG- Ratingagenturen (66 Prozent), aber auch die etablierten Ratingagenturen (44 Prozent). Allerdings gaben insbesondere kleinere Ver- sicherungsunternehmen und Pensionsfonds an, dass der hohe Kostenfaktor solcher Ratings für sie ein Problem darstellt. Nachhaltigkeitsstandards Bezüglich der freiwilligen Berücksichti- gung externer Nachhaltigkeitsstandards spielen für die befragten Unternehmen lediglich die „Principles for Responsible Investment“ (PRI) der Vereinten Nationen eine nennenswerte Rolle. Etwas weniger als die Hälfte (113 Teilnehmer) geben an, diese zu befolgen. Weitere Standards wie der „UN Global Compact“, der „Deutsche Nachhaltigkeitskodex“ oder die „UN Prin- ciples of Sustainable Insurance“ (PSI) wer- den nur von weniger als einem Viertel berücksichtigt. 65 Unternehmen haben für sich noch keinen Standard festgelegt. Durch ihre Umfrage wollte die BaFin auch ermitteln, wo im Unternehmen die Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsthe- men angesiedelt ist. Erfreut zeigen sich die Aufseher darüber, dass mit rund 92 Prozent der überwiegende Teil der Unternehmen die gesamte Geschäftsleitung als für die The- matik verantwortlich angibt. Zusätzlich sieht etwa ein Drittel eine Ressortzuständig- keit beim CRO, CEO oder CFO. Eine konkrete Ressourcenvorhaltung für das Management von Nachhaltigkeitsri- siken erfolgt hauptsächlich in Form von Investitionen in ESG-Tools und -Daten (49 Prozent) sowie durch den Rückgriff auf externe Dienstleister (66 Prozent). 73 Unter- nehmen haben sogar eine separate Nachhal- tigkeitseinheit gebildet. Überrascht war die BaFin von der Rück- meldung, dass lediglich weniger als ein Viertel der Umfrageteilnehmer angab, über- haupt nachhaltigkeitsbezogene Stresstests beziehungsweise Szenarioanalysen einzu- setzen (10 EbAV und 50 der übrigen Versi- cherungsunternehmen). Weniger als die Hälfte geben an, entsprechende Stresstests zumindest vorzubereiten. Womöglich haben aber zum Zeitpunkt der Befragung viele Häuser die ORSA-Maßnahmen abgewartet, die um diese Zeit herum von der EIOPA erwartet wurden. In diesem „Own Risk and Solvency Assessment“ (ORSA) müssen Versicherer Klimawandel-Risikoszenarien berücksichtigen, denen sie kurz- und lang- fristig ausgesetzt sind. Als Fazit ihrer Umfrage zeigt sich die BaFin zufrieden damit, dass Nachhaltig- keitsrisiken bereits Eingang in die strategi- schen Überlegungen, die Geschäftsorganisa- tion und das Risikomanagement von Versi- cherungen und Pensionsfonds gefunden haben. Zufrieden ist sie auch, dass nahezu sämtliche Teilnehmer die Umsetzung des BaFin-Merkblatts in Angriff genommen haben. Allerdings sieht sie noch nicht alle Unternehmen dort angelangt, wo sie in Sachen Nachhaltigkeitsmanagement sein sollten. So äußert sich Dr. Frank Grund: „Wir erwarten von den beaufsichtigten Ver- sicherungsunternehmen, dass sie Rückstän- de zügig aufholen.“ Er betont, dass sich die Versicherungsaufsicht auch 2022 schwer- punktmäßig mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen und die weitere Entwicklung in den Unternehmen eng begleiten wird. ANKE DEMBOWSKI Nachhaltigkeit ist Chefsache Wer ist für die Umsetzung der Strategien zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken verantwortlich? Rund 92 Prozent der Unternehmen geben an, dass die gesamte Geschäftsleitung für die Nachhaltigkeits- thematik verantwortlich ist. Zusätzlich sieht etwa ein Drittel der Unternehmen eine Ressortzuständigkeit beim CRO, CEO oder CFO. Quelle: BaFin-Umfrage Gesamte Geschäftsleitung Gremium von Geschäftsleitern CRO CEO CFO CCO Anderer GL Kein Geschäftsleiter Antworten: 247 92 % Antworten: 196 Antworten: 192 39 % Antworten: 194 36 % Antworten: 191 39 % Antworten: 180 Antworten: 186 13 % 18 % 15 % Antworten: 172 | 3 % Anteil Ja in Prozent 154 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG B E I I NS T I S

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