Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

siertes dynamisches Modell, das das mit dem Klimawandel verbundene finanzielle Risiko beschreibt. Der Fokus auf den Kli- mawandel wird damit begründet, dass Risi- ken im Zusammenhang mit dem Klima- wandel das Potenzial haben, das Wirtschafts- wachstum und damit auch die Aktien-Cash- flows langfristig zu beeinflussen und umzu- verteilen. Modelliert wird das mit dem Kli- mawandel verbundene Risiko als eine Form des Katastrophenrisikos: ein katastrophales Ereignis mit geringer Wahrscheinlichkeit und potentiell großen Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit. Die Wahrscheinlichkeit einer „Klimakatastrophe“ variiert im Lauf der Zeit und hängt von der Wirtschaftstätig- keit ab. Im Basisszenario geht man von einer Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Klima- katastrophe von drei Prozent aus. Was eine um 0,5 Prozent erhöhte Eintrittswahrschein- lichkeit von 3,5 Prozent für das erwartete reale Cashflow-Wachstum der nächsten De- kaden bedeutet, zeigt die Grafik „Wirkung des Klimawandels auf Aktien-Cashflows“ . Im Modell wird die Gefährdung der Aktien-Cashflows durch das Ausmaß der Mean Reversion der Dividendenwachs- tumsrate nach einem Klimaereignis be- stimmt. Ein höheres Maß an Mean Rever- sion würde bedeuten, dass die Wirtschaft anpassungsfähiger an Klimaveränderungen ist. Grundlegende Annahme ist, dass sich Risiken sowie erwartete Renditen der Inves- toren in den Diskontierungssätzen wider- spiegeln. Dadurch reflektieren die Asset- preise den Zusammenhang der Cashflows mit der wirtschaftlichen Situation in den unterschiedlichen Klimaszenarien. Grü- ne Vermögenswerte weisen somit nied- rigere Risikoprämien und höhere Bewer- tungen auf, da sie beim Eintritt nachtei- liger Klimaszenarien höhere Cashflows liefern als braune Assets. „Grün“ oder „braun“? NBIM skizziert also zwei verschiede- ne Möglichkeiten, wie ESG-konformes Investieren die Assetpreise beeinflussen kann. Dabei unterscheidet man zwischen den Gleichgewichtseffekten von nicht- finanziellen und risikobasierten Motiven. Die Trennung dieser Motive ist zwar nützlich, um zu verstehen, wie Effekte auf die Assetpreise entstehen, doch wer- den die Effekte wahrscheinlich interagie- ren und daher schwer zu identifizieren sein, meinen selbst die Autoren. Jedenfalls antizipieren beide Modelle niedrigere künf- tige Renditen grüner Assets relativ zu brau- nen im Gleichgewichtszustand. Trotzdem kann es Gründe geben, warum grüne Ver- mögenswerte besser abschneiden als brau- ne: Wenn zum Beispiel die Präsenz von ESG-motivierten Investoren zunimmt, wür- den man eine Übergangsphase zu einem neuen Gleichgewicht beobachten, dass grüne Vermögenswerte andere Assets out- performen. Hinzu kommt, dass ESG-Invest- ments mit grünen Technologieaktien ver- bunden sind, die potenziell hohe, aber unsi- chere Auszahlungsprofile aufweisen, die aus dem Übergang zu einer grüneren Wirtschaft resultieren könnten. Schwierige Schätzung NBIM betrachtet es als Herausforderung, die Größenordnung dieser Effekte zu be- stimmen. Dies erfordert unter anderem Schätzungen über die Verteilung der ESG- Präferenzen unter den Investoren sowie über den Umfang an Kapital, das für ESG- Investments bereitgestellt wird. Es gibt zwar Anzeichen dafür, dass das ESG-Investments gewidmete Kapital stark ansteigt, jedoch sind genaue Schätzungen für beide Faktoren schwer zu erhalten. Jüngste Entwicklungen bei der Einbe- ziehung von Daten über Portfoliobestände in Preisbildungsmodelle stellen einen viel- versprechenden Forschungsweg zum Ver- ständnis der Rolle von ESG bei Investments dar. NBIM hat auch relativ wenig belastbare Daten zur Verfügung, um die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen für breite Aktienmärkte oder globale Anlageklassen abzuschätzen. Die Norweger finden es tröstlich, dass mit dem Fortschrei- ten des grünen Wandels mehr und mehr Daten zur Verfügung stehen und mehr Mittel der empirischen Kapitalmarktfor- schung diesen Themenkomplexen gewid- met werden. Praktische Relevanz Was das Paper nicht verrät, ist die Ant- wort auf die Frage, in welchem Regime wir uns derzeit befinden: Sind die hohen Be- wertungen bei Nachhaltigkeitsaktien à la Tomra schon ein Anzeichen dafür, dass wir uns angesichts der hohen ESG-Nachfrage in den letzten Jahren bei grünen Aktien künftig auf niedrigere Renditen einstellen müssen, oder setzt sich dieser Trend noch länger fort? Die NBIM-Analysten merken in ihrer Arbeit durchaus selbstkritisch an, dass die Auswirkungen von ESG-Investing zurzeit nur schwer empirisch nachzuweisen sind. Dazu kommen Klassifizierungsprobleme: Wenn die EU-Taxonomie Erdgas und Kern- kraft, die als Inbegriff brauner Investments galten, als Übergangstechnologien für die nächsten Jahrzehnte ein grünes Mäntelchen umhängt, stellt sich die Frage, wo die entsprechenden Aktien dann in weiterer Folge einzusortieren sind. DR. KURT BECKER Wirkung des Klimawandels auf Aktien-Cashflows Eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit verringert künftige Cashflows. Im Basisszenario geht man von einer Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Klimakatastrophe von 3 Prozent aus. Erhöht sich diese im Modell um 0,5 Prozent, verringert sich das erwartete reale Cashflow-Wachstum wie dargestellt. Quelle: Studie 1,00 % 1,25 % 1,50 % 1,75 % 2,00 % 100 75 50 25 0 Jahre Katastropheneintrittswahrscheinlichkeit 3,0 % Katastropheneintrittswahrscheinlichkeit 3,5 % Reales Cashflow-Wachstum (e) 150 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG- I NVE S T I NG

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