Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

I ntuitiv ist die Logik zwingend: Wenn nur ein Teil des Investment- universums ESG-konform ist und immer mehr Investoren ihr Kapital – sei es freiwillig oder durch die Regulie- rung erzwungen – in diesen Teil umschich- ten, müssten die entsprechenden Wertpa- piere tendenziell teurer und die demgegen- über verstärkt gemiedenen tendenziell bil- liger werden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, könnte man auch relativ einfach fest- stellen, wenn es nur eine Definition für „ESG-konform“ gäbe. Das ist jedoch nicht der Fall. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von ESG-Messgrößen, -Strategien und -Pro- dukten, die Investoren nutzen, um ESG- Belange in ihre Portfolios zu integrieren. Und dieses Universum ist auch nicht sta- tisch, seit Kurzem wird auch darüber dis- kutiert, ob denn nicht Atomkraft eigentlich „grün“ und Produkte zur Verteidigung von Landesgrenzen – also Rüstungsgüter – eigentlich nachhaltig sind. Eine einfache Antwort auf diese Fragen kann es nicht geben. Fest steht aber: Wer wissen will, ob er als ESG-Investor heute schon eigentlich zu teuer kauft oder nicht, steht vor einer schwierigen Analyseaufgabe. Sie dürfte die Möglichkeiten vieler Investoren überstei- gen, daher lohnt sich der Blick auf die Ergebnisse großer Institutionen, die über die für eine solche Evaluierung nötigen Ressourcen verfügen. Ein interessantes Beispiel dafür ist die Norges Bank Investment Management (NBIM), Tochter der norwegischen Zentral- bank. Die Gesellschaft ist der Asset Mana- ger des „Government Pension Fund Glo- bal“, des um die 1,2 Billionen Euro schwe- ren norwegischen Staatsfonds, der aus Öl- und Gaseinnahmen des Staates gespeist wird. Der Fonds investiert ESG-konform, weshalb es für ihn von großem Interesse ist herauszufinden, ob die zunehmende Popu- larität von ESG-Anlagen Auswirkungen auf deren Assetpreise hat. Um diese Frage zu beantworten, stellte NBIM im Vorjahr eine eigene Untersu- chung an, in der versucht wurde zu berück- sichtigen, dass es heute ein Vielzahl unter- schiedlich motivierter ESG-Anleger gibt, parallel dazu aber nach wie vor Investoren keinerlei Wert auf „Nachhaltigkeit“ legen. Auf der anderen Seite besteht das Invest- mentuniversum aus einem breiten Sorti- ment, das sich von Unternehmen mit herausragenden ESG-Scorings (Green Stocks) bis hin zu Firmen erstreckt, die kei- nerlei nachhaltigen Kriterien gerecht wer- den (Brown Stocks). Was die Motive der ESK-affinen Anleger betrifft, so trennten die Norweger jene mit einem weitgehenden Desinteresse an Renditen (1. Modell) – hier stehen ethisch-moralische Aspekte im Vor- dergrund – von jenen, die in der ESG- Thematik vor allem die damit verknüpften Risiken sehen, die vermieden werden sollen (2. Modell). Mean-Variance-Ansatz Beim 1. Modell handelt es sich um einen Ansatz von ESG-Investoren und Finanzinvestoren, wobei Erstere dazu neigen, mehr Kapital in grüne Vermö- genswerte zu allokieren. In diesem Mo- dell (technische Details siehe Kasten „Erweiterte Variante des Mean-Variance- Portfolios“) wird die Nutzenfunktion um einen zusätzlichen Faktor ergänzt, der abhängig vom ESG-Score des In- vestments und der ESG-Präferenz des Investors ist. Bei Investoren mit durch- schnittlicher ESG-Präferenz ergibt sich modellgemäß aus dem ESG-Score kein zusätzlicher Nutzen, wodurch diese Inves- toren nur Rendite und Risiko betrachten und somit das Marktportfolio halten. Hingegen gleicht bei Investoren mit hoher ESG-Präferenz ein höherer ESG- Score ein schlechteres Rendite-Risiko- Die Nachfrage nach ESG-Anlagen ist so hoch, dass man befürchten muss, hier teilweise schon zu viel zu bezahlen. Der Manager des norwegischen Staatsfonds hat untersucht, ob und wie die Konzentration auf ESG-Themen Assetpreise beeinflusst. Der Preis der Nachhaltigkeit Auswirkungen der ESG-Präferenzen Renditeauswirkungen (links) und Position auf der Effizienzkurve (rechts) Renditeerwartungen von grünen, braunen und neutralen Aktien sind bei Nicht-ESG-Anlegern ident. Mit steigendem Anteil an ESG-Investoren sinken die Renditeerwartungen der grünen Aktien und steigen jene der braunen Aktien (Grafik links). Die rechte Grafik vergleicht die erwartete Rendite und das Risiko der Portfolios von ESG- und Non-ESG-Investoren anhand der Effizienzkurve. Der ESG-Anleger akzeptiert dabei eine niedrigere Sharpe Ratio, da er grüne Vermögenswerte bevorzugt. Quelle: NBIM 7 % 8 % 9 % 10 % 11 % 24 % 22 % 20 % 18 % 16 % 0 % 4 % 8 % 12 % Braun Neutral Grün ESG-Investor-Portfolio Non-ESG-Investor-Portfolio Keine ESG-Investoren 25 % ESG-Investoren 50 % ESG-Investoren Erwartete Rendite in Prozent Erwartete Rendite in Prozent 144 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG- I NVE S T I NG FOTO: © PETER ALVEY – TOMRA

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