Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

schmutzige Aktien gemieden werden (siehe Grafik „Analysteninteresse an schmutzigen Aktien“). Ab 2016 ist allerdings wieder ein Anstieg des Analysteninteresses an schmut- zigen Aktien zu beobachten. Grund dafür könnte deren starke relative Underperfor- mance gewesen sein. Das Ausmaß der Nichtberücksichtigung schmutziger Aktien scheint im Übrigen dann am stärksten zu sein, wenn die finanzielle Unsicherheit be- sonders hoch ist, zum Beispiel in den Jah- ren nach der Finanzkrise 2007/08 (siehe Grafik „Institutioneller Besitz an schmutzigen Aktien“) . Renditeplus bestätigt Anschließend untersuchte das Auto- rentrio, ob der zunehmende Ausschluss von unsauberen Aktien zu Unterschie- den in den risikobereinigten Renditen der Branchen führt. Renditeanalysen zeigen signifikant höhere Renditen für schmutzige Aktien, wobei die Ergebnisse im Hinblick auf eine Reihe von Unterneh- mensmerkmalen kontrolliert werden. Jeden- falls ist die Outperformance schmutziger Aktien umso ausgeprägter, je stärker diese Aktien gemieden werden. Die Tabelle „Performancevorsprung und Meldepflicht“ zeigt die Resultate einer Regressionsrech- nung, wo die Ergebnisse im Hinblick auf die Tatsache kontrolliert werden, dass die TRI-Meldepflichten erstmals 1987 einge- führt und 1998 erweitert wurden. Erst ab 1998 sind nämlich Firmen außerhalb des verarbeitenden Gewerbes in größerem Um- fang der Meldepflicht unterworfen wurden. Die Ergebnisse für die Outperformance (Alpha) sind für beide Subperioden auf dem 90- respektive 95-Prozent-Niveau positiv und statistisch signifikant, gleichgültig wel- che Faktormodelle man anwendet. Im kon- servativsten Vier-Faktor-Modell (Faktoren Markt, Small Cap, Value und Momentum) nimmt das Monats-Alpha den Wert 0,2222 an und ist auf dem 5-Prozent-Niveau statis- tisch signifikant. Dies entspricht einer ab- normalen Rendite von 2,7 Prozent im Jahr. Außerdem stellen die Autoren eine umsetz- bare Long-Short-Handelsstrategie vor, de- ren abnormale Renditen nicht durch allge- meine Risikofaktoren erklärt werden kön- nen. Beide Ansätze zeigen 2,9 bis 3,3 Pro- zent höhere jährliche risikobereinigte Ren- diten für schmutzige gegenüber nicht schmutzigen Aktien. Renditechancen Shunned Stocks, deren Umweltperfor- mance ESG-Investoren Magenschmerzen bereitet, scheinen hartgesottenen Anlegern zusätzliche Renditechancen zu eröffnen, wie dies bei Sündenaktien, die Investoren im Hinblick auf den Sozialfaktor bei ESG meiden, bereits früher nachgewiesen wurde. Das Long-Short-Portfolio ergibt für den Zeitraum von 1989 bis 2020 eine abnorma- le jährliche Rendite von 2,2 bis 3,1 Prozent, die nicht durch allgemeine Risikofaktoren erklärt werden kann. Das ist nicht unbedingt verwunderlich, auffällig ist aber, dass sich ESG-affine Investoren offenbar von schmutzigen Aktien auf Branchen- und nicht auf Unternehmensebene fernhalten. Dies stellt zwar eine ökonomische Heran- gehensweise dar, ist aber insofern unge- recht, als sie Firmen, die die relativ besten unter den schmutzigen sind, beziehungs- weise jene, die das größte Momentum bei der Verbesserung ihrer Emissionssituation aufweisen, außen vor lässt. Wenn man das Ziel der aggregierten Emissionsreduktion in den Vordergrund stellen würde, könnte man diesen Ansatz nicht gutheißen, da Einspa- rungseffekte bei den schmutzigen Firmen eine viel größere Wirkung entfalten, als wenn saubere Unternehmen noch sauberer werden. Gröbere, vereinfachende Bewer- tungsschemata können bestenfalls als Über- gangslösung toleriert werden, bis mehr valide Daten diesbezüglich vorliegen. Nur Investoren, die gewillt sind, die Extrameile zu gehen und auf Einzelunternehmensebene in die Materie einzusteigen, anstatt ganze Branchen auszuschließen, werden ihrer Mission, durch ihr Investitionsverhalten zur Verringerung von Treibhausgasen beizutra- gen, wirklich gerecht. Diesem individuel- lem Belohnungs- anstelle eines kollektiven Bestrafungsansatzes gehört jedenfalls die Zukunft. DR. KURT BECKER » Der Ausschluss ganzer Branchen diskriminiert die relativ sauberen unter den schmutzigen Aktien. « Dr. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel Performancevorsprung und Meldepflicht Alle Faktormodelle zeigen dasselbe: eine signifikante Outperformance schmutziger Aktien. Teilstichprobe 1999–2020 Stichprobe 1989–2020 (1) (2) (3) (4) (5) (6) Alpha 0,2296* 0,2708** 0,2222** 0,2558** 0,2451** 0,1847* (0,1393) (0,1121) (0,1073) (0,1260) (0,1117) (0,1015) MRP −0,4451*** −0,4003*** −0,3566*** −0,3993*** −0,3504*** −0,3242*** Market (0,0729) (0,0625) (0,0701) (0,0586) (0,0499) (0,0506) SMB −0,2179*** −0,2361*** −0,2518*** −0,2533*** Small Cap (0,0507) (0,0511) (0,0404) (0,0377) HML 0,1261 0,1623 0,0588 0,0905 Value (0,1048) (0,1026) (0,0971) (0,1016) MOM 0,0947 0,0783 Momentum (0,0633) (0,0605) Anz. d. Beob. 258 258 258 378 378 378 R 2 0,3703 0,4398 0,4581 0,3295 0,4029 0,4156 Je nach Start beschränkter (ab 1989) beziehungsweise umfangreicher TRI-Meldepflichten (ab 1999) und unabhängig vom eingesetzten Faktormodell ((1) und (4) CAPM, (2) und (5) 3-Faktor-Modell sowie (3) und (6) 4-Faktor-Modell) sind die Alphas (Monatswerte) der Aktienportfolios, bestehend aus Aktien der vier schmutzigsten Industrien, immer signifikant positiv. Quelle: Studie 142 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | D I RTY I NDUS TR I E S FOTO: © UNIVERSITÄT KASSEL

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