Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

D ie Zunahme von ESG-Inves- titionen wird begleitet von einer Debatte über die damit verbundenen Konsequenzen für die Assetpreisbildung. Einerseits deuten die meisten empirischen Belege auf einen positiven oder zumindest nicht negativen Zusammenhang zwischen der Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Anlageprozess und der finanziellen Performance hin. Andererseits wird in einer Reihe von Gleichgewichtsmodel- len argumentiert, dass die Diskriminie- rung von Unternehmen mit geringer ESG-Performance deren Kapitalkosten erhöht, was auf eine negative Bezie- hung zwischen ESG-Investitionsansätzen und der Performance hindeutet. Die Studie von Tobias Bauckloh, CFR-Juniorprofessor am Seminar für ABWL und Finanzierungs- lehre an der Universität zu Köln, Victor Beyer, Doktorand Sustainable Finance an der Universität Kassel, und Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel, trägt zu dieser Debatte bei, indem sie die Auswirkungen der In- vestmentpräferenzen von nachhaltig agierenden Investoren auf die finan- zielle Performance von Vermögens- werten beleuchtet. Genauer gesagt untersuchen die Autoren, ob nach- haltig agierende Investoren Aktien von Firmen, deren Aktivitäten zu höherer Umweltbelastung führen, ausschließen und ob dieser Aus- schluss die risikoadjustierten Rendi- ten von Aktien beeinflusst. Jede systematische Unter- oder Übergewichtung bestimmter Unter- nehmen oder Branchen durch eine größere Anzahl von Marktteilneh- mern muss zu einer Unter- oder Überbewertung der betroffenen Titel führen; allerdings ist nicht klar, wie sich das auf die Anlageergebnisse auswirkt. Folgt man der „Shunned Stocks Hypothesis“ (Theorie der gemiede- nen Aktien), dann bewirkt die Ächtung ein- zelner Aktien durch die Mehrzahl der Anle- ger überdurchschnittliche Erträge für jene Investoren, die diese Titel dennoch kaufen. Die Erklärung dafür: Erstens meiden Value- Investoren diese Aktien, was zu einer Unter- bewertung führt, und zweitens müssen diese Firmen aus Risikoverteilungsgründen den Aktionären höhere Kompensationen bieten. Laut Nobelpreisträger Robert C. Merton führen diese ESG-Präferenzen zu einer Marktsegmentierung, in der nicht nachhaltig agierende Anleger beim Halten dieser „Sin Stocks“ durch höhere risikoadjustierte Ren- diten kompensiert werden. Dabei wird im- plizit angenommen, dass nachhaltige Inves- toren bereit sind, auf finanzielle Perfor- mance zu verzichten, um den Nutzen daraus ziehen zu können, nicht in diese Unterneh- men investiert zu sein. Diese Annahme wird durch mehrere Studien über den nicht geld- werten Nutzen und die Preisbildung von Vermögenswerten gestützt. Zu nennen sind hier Eugene Fama und Kenneth French, die 2007 „Disagreement, Tastes and Asset Prices“ im Journal of Financial Economics publizierten, oder auch Barber, Morse und Yasuda mit ihrer Studie namens „Impact Investing“, die letztes Jahr im Journal of Financial Economics veröffentlicht wurde. Die US-Finanzmarktforscher Harrison Hong und Marcin Kacper- czyk waren 2009 die Ersten, die in „The Price of Sin: The Effects of Social Norms on Markets“ zeigten, dass es diesen „Shun Effect“ am Aktienmarkt gibt, da nachhaltig agie- rende Anleger in Firmen mit sozialen Kontroversen, die zum Beispiel in den Branchen Alkohol, Tabak und Glückspiel tätig sind, und damit in die sogenannten Sin Stocks nicht in- vestieren. Tatsächlich weisen diese Sin Stocks eine bessere finanzielle Rendite auf. Während die Untersuchungen zu Sin Stocks mit dem S-Faktor von ESG zu tun haben, erhebt sich die Frage bei schmutzigen Aktien, die Über die von Investoren gemiedenen Sin Stocks ist bekannt, dass sie Outperformance generieren. Sieht es mit Aktien von Firmen mit hohen Treibhausgasemissionen etwa ähnlich aus? » Aktien von Umweltsündern haben mit ›Sin Stocks‹ eines gemein: positive abnormale Renditen. « Dr. Tobias Bauckloh, CFR-Juniorprofessor, Universität zu Köln Verschmutzungs prämien Schmutzige Branchen Emissionsbeiträge der sechs schmutzigsten Industrien NAICS Emissions- Code Branchenbezeichnung beiträge 325 Chemieproduktion 40,22 % 331 Primärmetallproduktion 12,32 % 322 Papierproduktion 8,84 % 221 Versorger 6,53 % 324 Produktion von Öl- und Kohleprodukten 5,85 % 212 Bergbau (ohne Öl und Gas) 5,39 % Total 79,15 % Diese Tabelle zeigt den Durchschnitt des jährlichen Emissionsbei- trags von sechs schmutzigen Industrien als Prozentsatz ihres TRI (Toxics Release Inventory) im Vergleich zu den TRI-Gesamtemissionen in den USA im Zeitraum von 1987 bis 2020. Die Top 6 sind für fast vier Fünftel der Gesamtemissionen verantwortlich. NAICS (North American Industry Classification System) stellt den US-Branchen-Code dar. Quelle: Studie 138 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | D I RTY I NDUS TR I E S FOTO: © UNIVERSITÄT ZU KÖLN, ANGELOV | STOCK.ADOBE.COM

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