Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

I nvasion der Ukraine, massive chinesische Manöver vor Tai- wan, konsolidierte Taliban- Herrschaft in Afghanistan – aus westlicher Sicht gleicht die geopoliti- sche Lage einem gewaltigen Pulverfass mit einem halben Dutzend Zünd- schnüre. Risiken dieser Art werden von Investoren wahrgenommen und am Markt eingepreist, was in der Regel zu Ungleichgewichten führt, da die Gemenge- lage zu komplex ist, um komplett effizient eingeschätzt zu werden. Instrumente zur Messung globaler Risiken wie entspre- chende Umfragen, in denen die Risikoein- schätzung der Probanden abgefragt wird, gibt es viele. „Meistens weisen sie aber die Schwäche auf, dass ihnen historische Kon- sistenz und eine inhärente Risikoeinschät- zung von Medien, Öffentlichkeit, Investo- ren und Politik fehlen“, wie Matteo Iaco- viello, Ökonom im Board of Governors of the Federal Reserve, erklärt. Außerdem werden tatsächliche geopoli- tische Risiken oft nur verwässert gemessen – etwa in Form wirtschaftspolitischer Unsicherheit, wo auch Faktoren wie Neu- wahlen, Arbeitslosigkeit oder Inflation ein- fließen. Folgt man jedoch Argumentationen wie der von Anutchanat Jaroenjitrkam von der Thammasat University Bangkok, der zuletzt mit seinem Team das Paper „Geo- political Risk and Firm Value: Evidence from Emerging Markets“ herausgebracht hat, so sind harte geopolitische Risiken seit 9/11 treibende Makrodaten, die von her- kömmlichen Messindikatoren wirtschafts- politischer Unsicherheit aber nur inadäquat ausgewiesen werden. Klare Risikodefinition Eine saubere Darstellung dieser Risiken gewinnt also an Bedeutung, weshalb sich Jaroenjitrkam und seine Co-Autoren in ihrer Arbeit zu Bemessung geopolitischer Risi- ken des Geopolitical Risk Index (GPRI) bedienen, den der bereits erwähnte Matteo Iacoviello gemeinsam mit Dario Caldara publiziert und pflegt. Iacoviello und Caldara, die für das Board of Governors of the Federal Reserve tätig sind, haben mit dem Wann das Desaster eintritt Wie die Wahrscheinlichkeit eines ökonomischen Desasters zunimmt, wenn der GPR Index steigt Veränderung des Globales Länderspez. WW Spitze Militär- Desaster Desaster GPR um 1 St.-Abw. GPR GPR Dummy GPR ausgaben Beginn Ende GDP-Wachstum t-1 -0,0071 -0,0062 -0,0056 -0,0065 -0,0056 -0,0009 0,0012 (0,0030) (0,0030) (0,0030) (0,0032) (0,0026) (0,0010) (0,0010) GPR 0,1753 0,1144 0,0337 0,1001 0,0180 -0,0175 (0,0223) (0,0241) (0,0469) (0,0236) (0,0237) (0,0094) Länderspez. GPR 0,0940 0,0842 0,0794 0,0664 -0,0090 (0,0160) (0,0170) (0,0175) (0,0295) (0,0105) Dummy WWI/WWII 0,3328 (0,1761) GPR Spitze global 0,1692 (0,0246) GPR Spitze 0,0821 länderspezifisch (0,0122) Dummy Prä-1946 0,2437 (0,0490) Dummy 1946–1972 0,1152 (0,0467) Konstante 0,2309 0,2289 0,1947 0,1762 0,1112 0,0401 0,1180 (0,0252) (0,0273) (0,0341) (0,0302) (0,0320) (0,0185) (0,0130) Anzahl Beobachtungen 3.056 3.056 3.056 3.056 3.056 2.447 609 R 2 0,20 0,20 0,21 0,18 0,26 0,13 0,02 Länder 26 26 26 26 26 26 26 Länderfixe Effekte Nein Ja Ja Ja Ja Ja Ja Steigt der GPRI, der ausschließlich geopolitische Risiken misst, um eine Standardabweichung an, nimmt bei einer globalen Messung das Risiko eines Desasterszenarios, in dem die Wirtschaft in einem Jahr um durchschnittlich 0,2 Prozent schrumpft, um 17,53 Prozent zu. Bei Einbeziehung des länderspezifischen Risikos beträgt die Desaster- wahrscheinlichkeit 9,4 Prozent. Quelle: Caldara & Iacoviello (Standardfehler in Klammern) Geopolitische Risiken werden oft nicht exklusiv gemessen, sondern fließen als Faktoren in diverse Unsicherheitsmaße ein. Angesichts der immer virulenter werdenden zwischenstaatlichen Spannungen wird eine saubere Erfassung dieser Risiken immer wichtiger. » GPRI misst Risiken, (…) die aus Krieg, Terrorismus und zwischen- staatlichen Spannungen erwachsen. « Matteo Iacoviello, Board of Governors of the Federal Reserve Fallstrick Geopolitik 126 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | GEOPOL I T I SCHE R I S I KEN FOTO: © MATTEO IACOVIELLO, WALTER CICCHETTI | STOCK.ADOBE.COM

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=