Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

Die starke negative Korrelation zwischen Dollar- und Rohstoffmärkten ist zweitens auch einer der Hauptgründe dafür, dass der Welthandel negativ mit der Entwicklung des Dollars zusammenhängt: Neben den unmittelbaren Effekten, wonach sinkende Rohstoffpreise per se das Handelsvolumen verringern, werden nämlich die Volkswirt- schaften der Emerging Markets vom Dop- pelschlag der steigenden Dollarverschul- dung und der sinkenden Rohstoffpreise un- verhältnismäßig hart getroffen. Das zeigt ein Modell, in dem Obstfeld und Zhou die Auswirkungen einer zehnprozentigen Dol- laraufwertung auf die Volkswirtschaften der Emerging Markets kalkulieren. Herangezo- gen werden die Daten aus 29 Ländern aus einem Beobachtungszeitraum, der von 1999 bis 2019 reicht – wobei wir uns an dieser Stelle auf die drei Variablen BIP-Entwick- lung, privater und öffentlicher Konsum beschränken wollen (siehe auch Charts „Der Dollar zieht seine Schneisen“) . Die Dollar-Schneise Die Resultate sind jedenfalls relativ ein- drücklich: So zieht ein Dollarschock beim BIP-Wachstum eines Emerging-Markets- Landes im Vergleich zum Trend ein Minus von bis zu 1,8 Prozent nach sich. Bei einem Dollaranstieg von zehn Prozent wächst eine Emerging-Markets-Wirtschaft also nach acht Quartalen um 1,8 Prozent weniger, als sie ohne Dollarschock gewachsen wäre. Ähnliche Schneisen zieht eine deutliche Dollaraufwertung auch im privaten und öffentlichen Konsum. Ebenfalls beachtens- wert: Während BIP und privater Konsum ihren Tiefpunkt nach acht Quartalen errei- chen und sich dann erholen, erholt sich der öffentliche Konsum auch nach den Tief- ständen des achten Quartals nicht. Zhou in- terpretiert das folgendermaßen: „Selbst nach zwölf Quartalen bleiben Investitionen und öffentlicher Konsum unterhalb der zuvor ausgewiesenen Trends. Das führt zur An- nahme, dass die betroffenen Regierungen nach Dollarschocks Sparmaßnahmen um- setzen“ und so die wirtschaftliche Dynamik weiter untergraben. Schlussfolgerungen Krugman meint, dass der viel zitierte Spruch, wonach der Dollar die Währung der USA und das Problem der Welt sei, auch ein halbes Jahrhundert nach Bretton Woods Gültigkeit habe. Die hier diskutierte Arbeit scheint das auf einem globalen Level zu bestätigen – einige der weltweiten Effek- te liegen aber auch am Erstarken der Emer- ging Markets, wo ein Dollarschock deutlich größere Auswirkungen hat als in Europa. Diese Emerging Markets, die überpropor- tional stark von Rohstoffexporten leben, werden von einem starken Dollar doppelt getroffen: zum einen über den währungs- bedingten Anstieg der Staatsschulden, zum anderen über den dollarinduzierten Wert- verlust der eigenen Rohstoffexporte. Für Europa sieht die Lage weniger dra- matisch aus. Zwar steigt die Dollarverschul- dung bei einem Anstieg des Greenback auch, wie in anderen Ausgaben von Insti- tutional Money beschrieben, ist die Zah- lungslast durch die bislang niedrigen Zinsen insgesamt jedoch zurückgegangen. Der Druck, den ein steigender Dollar auf die Rohstoffpreise ausübt, wirkt sich hingegen positiv auf westliche Rohstoffimporteure aus. Die Preisrückgänge von Erdöl und Treibstoff, die bei Redaktionsschluss trotz Ukrainekrieg und Störung der Lieferketten aufgetreten sind, sprechen in diesem Zu- sammenhang eine deutliche Sprache und werfen auf der anderen Seite ein Schlaglicht auf die Dysfunktionalität des Strom- und Gasmarktes . HANS WEITMAYR Der Dollar zieht seine Schneisen Veränderung von Emerging-Markets-BIPs im Verhältnis zum ursprünglichen Trend nach einem zehnprozentigen Anstieg des Dollars Werden die Emerging Markets einem Dollarschock ausgesetzt, der sich in einer zehnprozentigen Aufwertung des Greenback ausdrückt, so sind die Nachwirkungen selbst zwölf Quartale später noch zu spüren. Gerade die öffentliche Hand agiert infolge von Dollarschocks mittelfristig enorm vorsichtig, fährt Investitionen zurück und trägt so dazu bei, dass sich die volkswirtschaftlichen Verwerfungen prolongieren. Quelle: Studie Quartale Quartale Quartale Reales BIP Privater Konsum Öffentlicher Konsum -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % -3 % -2 % -1 % 0 % 1 % BIP-Veränderung BIP-Veränderung BIP-Veränderung 0 4 8 12 0 4 8 12 0 4 8 12 » Zwölf Quartale nach einem Dollarschock bleiben Investitionen und öffentlicher Konsum unterhalb der zuvor ausgewiesenen Trends. « Haonan Zhou, Princeton University 124 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | US - DOL LAR

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=