Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

weist auf die Spreads der Staatsanleihen in der Eurozone hin. Bezüglich China, immer- hin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, falle es schwer, „sich auf die Märkte eines Landes zu verlassen, wenn die Regie- rung die Kontrolle über alle Vermögens- werte behält, die in das Land fließen oder es verlassen“. Hafen und Fluch Die Sicherheit des eigenen Marktes macht den Dollar wiederum zu einem der viel zitierten „sicheren Häfen“. Das führt mitunter zu der paradoxen Situation, dass Krisen, die in den USA entstehen und zu- nächst nur die USA betreffen, zu einer Flucht in den Dollar führen und die bereits beschriebenen Belastungen in den volks- wirtschaftlichen Bilanzen auslösen. Doch nicht nur auf makroökonomischer Seite – also Schuldenstand, Leistungsbilanz etc. – hat ein starker Dollar negative Aus- wirkungen, sondern auch auf die globalen Finanzmärkte. Das weisen Obstfeld und Zhou anhand des im Jahr 2020 vorgestellten Miranda-Agrippino & Rey Finanzindex (MA&R) nach. Der Index errechnet sich mithilfe eines globalen dynamischen Fak- tormodells, das den Märkten für Aktien, Unternehmensanleihen und Rohstoffen aus Nord- und Lateinamerika, Europa sowie Asien-Pazifik inklusive Australien entnom- men wird (siehe Chart „Der negative Ein- fluss des US-Dollars“ links) . Vergleicht man nun den Verlauf des Dollar-Index mit dem MA&R ab 1980, so verlaufen die bei- den Charts die ersten beiden Dekaden relativ parallel, „seit dem Jahr 2000 ist die Korrelation mit minus 0,54 aber ziemlich negativ. Probleme an den Finanzmärkten gehen im 21. Jahrhundert mit einem starken Dollar einher“, wie Obstfeld erklärt. Ein Teil dieser Diskrepanz lässt sich über den starken negativen Zusammenhang zwi- schen dem Dollar und den Rohstoffmärkten ableiten (siehe Chart „Der negative Ein- fluss des US-Dollars“ rechts). Die Korrela- tion zwischen beiden Verläufen beträgt von Februar 2003 bis April 2022 minus 0,57. „Beachtlich ist vor allem der gewaltige Un- terschied zwischen den Skalen der linken vertikalen Dollar- und der rechten vertikalen Rohstoffachse“, meint Zhou. Starke Verwerfungen Dies mache wiederum klar, dass „die Aufwertung des Dollars um ein Prozent einen, in Prozent gemessen, viel höheren Fall der Rohstoffpreise nach sich zieht.“ Besonders markant sind dabei die Lücken, die im Rahmen der großen Finanzkrise ge- rissen wurden. Die Kluft, die seit 2014 nicht mehr geschlossen wurde, könnte auf ein strukturell neues Marktgefüge hindeuten. Dieser Umstand zieht mehrere Konse- quenzen und Schlussfolgerungen nach sich: Erstens ist eine Dollarstärke für alle Roh- stoffexporteure schädlich und für alle Roh- stoffimporteure positiv. Denn der unverhält- nismäßig starke Fall von Rohstoffpreisen im Vergleich zum Dollar bedeutet, dass sich die Rohstoffe auch für Importeure anderer Währungen verbilligen. Verliert also bei- spielsweise der Euro gegen den Dollar ein Prozent, so zieht das aus Euro-Sicht immer noch einen deutlich stärkeren Verfall der Rohstoffpreise nach sich. Die schlussend- liche Differenz bleibt in der volkswirtschaft- lichen Bilanz des Eurozonenlandes als Überschuss. Das erklärt bis zu einem gewis- sen Grad auch die bei Redaktionsschluss wieder gefallenen Öl- und Benzinpreise. Es wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Dysfunktionalität des europäischen Strom- und Gasmarktes, auf dem bis Redaktions- schluss nicht die geringste Normalität ein- getreten ist. » Probleme an den globalen Finanzmärkten gehen im 21. Jahrhundert mit einem starken Dollar einher. « Maurice Obstfeld, University of California, Berkeley Der negative Einfluss des US-Dollars Das Klischee vom Greenback als Währung der USA und Problem der Welt trifft auch heute noch zu. Die negativen Korrelationen zwischen US-Dollar und Finanzmärkten (links) und den Rohstoffmärkten (rechts) sind evident. Tatsächlich führt ein Anstieg des Greenback zu einer unverhältnismäßig starken Verbilligung von Rohstoffen, worunter die Emerging Markets leiden. Andere Rohstoffimporteure, etwa die der Eurozone, profitieren jedoch von dem Mechanismus, da auch für sie die Überproportionalität der Abschläge in günstigere Rohstoffimporte mündet – das konnte man zuletzt am Markt für Erdöl beobachten. Quelle: Studie 20 40 60 80 100 120 -40 % -30 % -20 % -10 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % -2 -1 0 1 2 3 -10 % -7,5 % -5 % -2,5 % 0 % 2,5 % 5 % 7,5 % 10 % Miranda-Agrippino and Rey Global Financial Cycle Index Dollar-Index Veränderung globale Rohstoffpreise Dollar-Index 2015 2010 2005 2000 2020 1995 1990 1985 1980 2018 2016 2014 2012 2020 2010 2008 2022 2006 2004 Punkte Punkte Quartal in Prozent Quartal in Prozent 122 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | US - DOL LAR

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=