Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

warum Anleger lokale Aktien bevor- zugen. Judith A. Chevalier (Yale) und Glenn Ellison (MIT) gelangten 1999 in „Career Concerns of Mutual Fund Managers“ zum Schluss, dass bei pro- fessionellen Investoren Karrierebeden- ken die Bevorzugung lokaler Aktien auslösen können. In Übereinstimmung mit diesem Ansatz fanden Joshua D. Coval und Tobias J. Moskowitz 2001 in „The Geography of Investment: In- formed Trading and Asset Prices“ Bele- ge dafür, dass Manager auf ihnen ver- trauten Märkten Überrenditen erzielen, wobei der Effekt bei kleinen, alten Fonds stärker ausfällt. Im Gegensatz da- zu gelang es Veronika K. Pool, Noah Stoffman und Scott E. Yonker 2012 in „No Place like Home: Familiarity in Mutual Fund Manager Portfolio Choice“ darzulegen, dass US-Fondsma- nager bei ihren Portfolioallokationsent- scheidungen Unternehmen aus ihren US-Heimatstaaten bevorzugen, was die Performance allerdings nicht verbessert, sondern die Risiken erhöht. Derartige Studien standen beziehungs- weise stehen vor der gleichen Herausforde- rung: Wie können Wertpapiere identifiziert werden, die dem Fondsmanager ex ante be- kannt sind, obwohl er keinen Informations- vorsprung besitzt? Hier sieht das Autoren- quartett seinen Vorteil: Dessen einzigartiger Datensatz ermöglicht es, diese Herausforde- rung anzugehen, da Portfolioentscheidun- gen aufgrund von Vertrautheit plausibel von Portfolioentscheidungen aufgrund eines In- formationsvorteils getrennt werden können. Die Autoren untersuchen die Herkunft der Fondsmanager und analysieren die da- mit verbundenen langfristigen Auswirkun- gen auf die Portfoliozusammensetzung. Un- ter Verwendung der Tatsache, dass die USA eine klassische Einwanderungsnation sind, argumentieren sie, dass Fondsmanager mit Firmen, die ihren Hauptsitz in ihrem ange- stammten Heimatland haben, zwar vertraut, aber nicht besser informiert sind. Konkret argumentieren sie, dass ein Manager, dessen Vorfahren etwa von Italien aus in die USA eingewandert sind, wahrscheinlich mit den italienischen Unternehmen und den dort do- minanten Branchen vertraut ist. Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass solche Mana- ger über diese Unternehmen und Branchen informiert sind, vor allem wenn ihre Vorfah- ren schon vor mehreren Generationen aus- gewandert sind. Dabei konzentrieren sich die Autoren ausschließlich auf Fondsmana- ger, die in den USA sozialisiert wurden, die also dort geboren sind oder ein US-College absolviert haben. Die Motivation für diese Identifikationsstrategie ist eine doppelte. Im Vergleich zur Bindung an den Heimatstaat ist es weniger wahrscheinlich, dass Manager aktive Bindungen zu ihrer angestammten Heimat unterhalten, insbesondere wenn sie in den USA sozialisiert wurden und ihre Vorfahren vor Jahrzehnten ausgewandert sind. Außerdem kann man davon ausgehen, dass der Manager die Hauptverbindung des Fonds zum Heimatland seiner Vorfahren darstellt. Andere Teilnehmer am Invest- ment- und Analyseprozess des Fonds wer- den wahrscheinlich aus Ländern stammen, die sich von der Herkunft des Fondsmana- gers unterscheiden. Die Autoren gehen in zwei Schritten vor, um die Rolle die- ses herkunftsbedingten Vertrautheits- Bias bei Portfolioentscheidungen zu un- tersuchen. Zunächst analysieren sie, ob Fondsmanager Unternehmen und Bran- chen aus ihren angestammten Heimat- ländern übergewichten. Zweitens unter- suchen sie, ob diese Übergewichtung mit der Aktualität der Verbindungen der Manager zu ihren angestammten Hei- matländern zusammenhängt, gemessen an der Zahl der Generationen seit der Einwan- derung ihrer Vorfahren in die USA. Das Quartett geht davon aus, dass die Manager mit den Unternehmen und Branchen ihres Herkunftslandes besser vertraut sind, dass diese Vertrautheit jedoch keinen Informa- tionsvorteil bietet. Bei der Auswahl von Aktien aus dem Anlageuniversum wählen die Manager möglicherweise die bekannte- Sind US-Amerikaner besser geeignet, US-Aktienfonds zu verwalten, oder ist die emotionale Bindung an die Heimat sogar ein Nachteil, wenn es um Anlageentscheidungen geht? Eine aktuelle Analyse ging dieser Frage nach. » Die Ergebnisse unterstützen die Vertrautheitshypothese der Aktienselektion. « Prof. Dr. Manuel Amann, Professor für Finanzen, Universität St. Gallen N o. 3/2022 | www.institutional-money.com 115 T H E O R I E & P R A X I S | ANC E S TRAL B I AS 

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