Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

Branche von 2020 auf 2021 rund 1,7 Pro- zent ihrer gebuchten Bruttobeiträge einge- büßt“, sagt Will. Ihre laufenden Beiträge konnte die Branche allerdings von 2020 auf 2021 um 0,8 Prozent erhöhen – und das trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rah- menbedingungen. Der leichte Rückgang der gebuchten Bruttobeiträge ist auf die niedri- geren Einmalbeiträge zurückzuführen. Die- se verringerten sich von 2020 auf 2021 um 5,7 Prozent. In der Vergangenheit haben einige Lebensversicherer auf das kurzfristi- ge Einmalbeitragsgeschäft gesetzt und sol- che Verträge als Alternative zu Bankproduk- ten angeboten. Auch deshalb ist das Einmal- beitragsgeschäft an gebuchten Prämien seit 2013 um etwa zehn Prozentpunkte gestie- gen. Einmalbeiträge bei Versicherungen korrelieren aber stark mit dem Zinsniveau – sie haben eine spiegelbildliche Situation. Daher führt die aktuelle Zinswende zu einem Rückgang des Einmalbeitragsge- schäfts, was häufig aus einer bewussten unternehmenspolitischen Entscheidung re- sultiert. „Ein Zinsanstieg wirkt sich auf die Wettbewerbssituation der Versicherer aus, weil dann auch die Banken wieder mit attraktiveren Zinsprodukten auf den Markt kommen können“, erklärt Will. Angesichts der hohen Inflationszahlen setzt er aller- dings ein Fragezeichen hinter die generelle Kaufbereitschaft von Kunden bei Spar- und Altersvorsorgeprodukten. Die Stornoquote blieb mit rund 4,5 Pro- zent stabil und ging 2021 sogar geringfügig zurück (von 4,6 auf 4,4 Prozent). „Von einer Flucht raus aus Lebensversicherungsverträ- gen war in Corona-Zeiten also nichts fest- zustellen“, meint Will. Klassik: Kaum Neugeschäft Nicht gut läuft es im Riester-Neuge- schäft. Durch die Absenkung des Höchst- rechnungszinses zum Jahresanfang auf nur noch 0,25 Prozent sind Riester-Neuverträge in der Praxis kaum mehr möglich, weil die Erträge für die Bedienung der Kosten und der Garantien nicht mehr ausreichen. Aber auch sonst ist die Zahl der Anbieter von klassischen privaten Rentenversicherungen rapide zurückgegangen. Aktuell bieten nur noch zwölf Versicherer solche Verträge im Neugeschäft an. „Die Klassik als traditio- nelles Produkt ist weitgehend vom Markt verschwunden. Ob jetzt mit den steigenden Zinsen eine Renaissance der klassischen Produkte stattfinden wird, ist äußerst frag- lich“, gibt Will zu bedenken und ergänzt: „Bei den allermeisten Anbietern bekommt man keine 100-prozentige Beitragsgarantie mehr. In der bAV sind 90 oder 80 Prozent üblich, teilweise auch darunter.“ Doch was sind dann die Hoffnungsträger der Branche? Etwas besser als die klassi- sche private Rentenversicherung schätzen die Unternehmen ihre Erfolgschancen in der sogenannten „neuen Klassik“ ein, bei der es weniger Garantien und bessere Rendite- chancen gibt. Aber das wirkliche Wachstum sieht die Branche künftig in Biometriepro- dukten wie Berufsunfähigkeits- oder Grund- fähigkeitspolicen und auch bei Fondspoli- cen – mit und ohne Garantie. Die bAV wird nunmehr knapp im sehr positiven Korridor angesiedelt. „Im ersten Corona-Jahr lag die bAV weit im negativen Bereich, weil in dieser Zeit die Ansprache schwierig war“, erklärt Will die Hintergrün- de. „Hoffnung setzen viele Anbieter auch weiterhin in das Sozialpartnermodell. Der erste Branchenvertrag mit der Chemie liegt zumindest jetzt vor.“ Was die Inflation für die Versicherungswirtschaft allerdings auch mit sich bringen kann, ist ein höherer Druck auf die Risiko- und Kostenergebnisse. „Der könnte im Zuge der hohen Inflation auf die Versicherer zukommen“, meint Will. Alles in allem sieht Assekurata ein fast ausgewogenes Chance-Risiko-Verhältnis für die Lebensversicherungsbranche mit einer leicht negativen Tendenz, was die Geschäfts- perspektiven anbelangt. „Das Wachstum dürfte in den kommenden Jahren stark von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt sein“, meint Will, „unterm Strich rechnen wir bei den Beitragseinnahmen im Bestand 2022 mit einem Minus von einem Prozent.“ Damit ist Assekurata etwas defen- siver als der Branchenverband GDV. Aller- dings stammt die Prognose des GDV von Anfang 2022, während Assekurata mit seiner Studie Ende Juni herauskam. Von der Zinswende werden Lebensversicherer erst langfristig profitieren. ANKE DEMBOWSKI Geschäftslage und Geschäftserwartungen Die höchsten Geschäftsimpulse ranken sich um Fondspolicen und Biometrieprodukte. Auch die bAV hat wieder aufgeholt, weil die Kundenansprache nach den Corona- Lockdowns wieder möglich ist. Quelle: Assekurata-Marktstudie zu Überschussbeteiligungen und Garantien -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 sehr positiv sehr negativ Geschäftslage Geschäfts- erwartungen Klassik Dread Disease Pflege Neue Klassik Indexpolicen Sterbegeld bAV Risikoleben Grund- fähigkeit Fondspolicen mit Garantie BU Fondspolicen ohne Garantie Gesamt Bewertungsreserven fallen In der HGB-Bilanz wirken der Zinsanstieg und die Bewertungsreserven gegenläufig. 2020 hatten die Lebensversicherer rund 200 Milliarden Euro Bewertungs- reserven , überwiegend auf festverzinslichen Papieren. Durch den Zinsanstieg sinken die Bewertungsreserven, sodass Assekurata bereits von stillen Lasten der Branche in Höhe von zirka 40 Milliarden Euro ausgeht. *Hochrechnungen anhand der Werte Ende Mai 2022 Quelle: Deutsche Bundesbank, Assekurata -50 0 50 100 150 200 250 300 -0,5 % 0,0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % Zinsen steigen BWR sinken Bewertungsreserven ZZR-Bestand Jahresendwert Null-Kupon- Euro-Zinsswapsatz 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 20212022* Bestand Bewertungs- reserven in Mrd. EUR Null-Kupon-Euro- Zinsswapsatz in Prozent 112 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | AS S EKURATA - S TUD I E

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