Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

N un ist sie auf einmal da, die Zinswende, nachdem die Ka- pitalanlageverantwortlichen lange unter dem extremen Niedrigzinsumfeld gelitten haben. Pure Freude bedeutet der plötzliche Zinsan- stieg aber nicht, denn aus ihm ergeben sich ganz eigene Herausforderungen. Wie sich die Zinswende bei den Lebensversicherungsunternehmen auf die Bilanzen unter HGB und Solvency II sowie auf das Produkt- und Kapital- anlagemanagement auswirkt, untersucht das Kölner Analyseunternehmen Asse- kurata in seiner diesjährigen Studie „Marktausblick zur Lebensversicherung 2022/2023“. Trend zu Substanzwerten Dass das Ende der Nullzins-Ära für Lebensversicherungsunternehmen ein so wichtiges Stichwort ist, liegt unter anderem daran, dass deren Kapitalanlage zu 77 Pro- zent von festverzinslichen Anlagen geprägt ist. Seit 2021 steigen auch die Credit Spreads an und spiegeln eine steigende Risikowahrnehmung am Kapitalmarkt wider. „Derzeit gehen viele Kapitalanleger davon aus, dass sich 2022 die Credit Spreads noch weiter ausweiten, denn die Marktunsicherheiten erhöhen sich“, beob- achtet Lars Heermann, Bereichsleiter Ana- lyse und Bewertung bei Assekurata. „Am 20. Juni rentierten Zehnjahresbunds bereits über 1,5 Prozent. Die Zinsmärkte haben also schnell reagiert. Aber die großen Bestände der Versicherer lassen sich nicht so rasch umgestalten. Daher sind Lebens- versicherungen nach wie vor stark von den Zinsmärkten geprägt“, führt Heermann aus. Eine Umfrage von Assekurata bei den Versicherungshäusern ergab, dass der Anteil der Versicherer, die ihren Anteil an festver- zinslichen Papieren erhöhen wollen, aktuell gering ist. Während bei der Aktienquote das Verhältnis zwischen „Wir wollen auf- stocken“ und „Wir wollen abbauen“ ausge- glichen ist, sind alternative Investments und Immobilien weiterhin die Trendthemen. „Allerdings hat der Trend in Richtung Er- höhung der Immobilienquote abgenommen. Das gestiegene Preisniveau macht die Sache hier schwierig. Dennoch werden Immobi- lien immer noch als attraktiv angesehen. Der Anteil alternativer Investments wie Infrastruktur, Private Equity und Private Debt nimmt hingegen noch zu“, beobachtet Heermann die Allokationen der Versicherer. „Wir glauben, dass der Trend in Richtung Substanzwerte anhalten wird“, ergänzt sein Kollege Reiner Will, Geschäftsführer bei Assekurata. „Angesichts des inflatorischen Umfelds ist zu erwarten, dass realwertorien- tierte Anlagen von den Kapitalanlageverant- wortlichen der Versicherungen tendenziell eher erhöht als zurückgefahren werden, denn Substanzwerte in der Kapitalanlage bieten einen gewissen Inflations- und Ab- wertungsschutz.“ Zinszusatzreserve Neben seinen Auswirkungen auf die Gestaltung der Kapitalanlage wirkt der Zinsanstieg auch auf die Zinszusatzreserve (ZZR). Die höheren Zinsen sorgen dafür, dass nun offenbar der Gipfel der ZZR erreicht ist. „Zwar werden die gesamten zehn Milliarden Euro, die letztes Jahr von der Branche in die ZZR eingestellt worden sind, dieses Jahr nicht gleich wieder abge- baut, aber wir rechnen 2022 für den Ge- samtmarkt mit einem ersten Abbau der ZZR im niedrigen Milliardenbereich“, so Heer- mann. Dass der jahrelange Aufbau der ZZR nun gestoppt wird, ist in der Tat eine über- raschende Entwicklung, mit der vor neun Monaten wohl keiner gerechnet hätte. Heer- mann merkt aber an: „Da die ZZR auf Einzelvertragsbasis berechnet wird, muss für einzelne Verträge auch 2022 noch ZZR gestellt werden.“ Eingeführt wurde die ZZR 2011. Man wollte damit bilanzielle Vorsorge betreiben, Trotz des Zinsanstiegs, auf den die Lebensversicherer so lange gehofft haben, sind sie auch jetzt nicht auf Rosen gebettet. Welche Probleme sie meistern müssen, zeigt die Ratingagentur Assekurata in ihrem Marktausblick zur Lebensversicherung 2022/2023. Ende der Nullzins-Ära Asset Allocation gerateter Lebensversicherer (in % nach Marktwerten) per 31. 12. 2021 Die Kapitalanlage der Lebensversicherer ist zu 77 Prozent von festverzinslichen Anlagen geprägt. Zuletzt wurden die Allokationen in Immobilien und alternativen Investments ausgebaut, allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Quelle: Assekurata 77 % 8,2 % 4,8 % 4,7 % Festverzinsliche Anlagen Immobilien Alternative Investments Sonstiges Aktien Beteiligungen » Solvency-II-seitig führt der Zinsanstieg zu einer deutlichen Entspannung. « Dr. Reiner Will, Geschäftsführer Assekurata Neue Herausforderungen 108 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | AS S EKURATA - S TUD I E FOTO: © GUIDO SCHIEFER, NMANN77 | STOCK.ADOBE.COM

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