Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

W as passiert, wenn Wissenschaftler eine Renditeanomalie veröffentlichen und damit deren Geheimnis lüften? Die Antwort darauf ist intuitiv gut nachvoll- ziehbar: Es ist zu erwarten, dass die beschriebenen Effekte abnehmen oder ganz verschwinden ( siehe Artikel „Frü- her Vogel …“ in Institutional Money 02/2022 ). Diese Erkenntnis stammt aus der Studie „Does Academic Research Destroy Stock Return Predictability?“ von David McLean und Jeffrey Pontiff. Die Autoren untersuchten für diese, wie sich die Per- formance von 97 Faktoren nach ihrer Ver- öffentlichung entwickelte. Das Ergebnis: Außerhalb der verwendeten In-Sample- Stichprobe waren die Renditen um 26 Pro- zent und nach Veröffentlichung um 58 Pro- zent niedriger. Die Forscher führten das auf eine Kom- bination von zwei Effekten zurück: 1) das Ausnutzen der veröffentlichten Anoma- lien durch die Marktteilnehmer und 2) durch Data Mining hervorgerufene Überoptimierungen sowie statistisch ins Positive verzerrte Aussagen infolge nicht berücksichtigter Mehrfachtests. Der Ein- fluss des zweiten Effekts hat im Zeit- ablauf zugenommen, da moderne Com- puter über immer höhere Rechenkapa- zitäten verfügen. Heute können pro- blemlos Millionen oder Milliarden Para- meterkombinationen untersucht werden, wodurch sich das Problem noch ver- schärft. Wenn die Entwickler dann „sig- nifikante“ statistische Muster finden, ist es nicht weiter schwierig, eine dazu passende Erklärung zu liefern. Und tat- sächlich gibt es Hinweise darauf, dass dieses Vorgehen bei der Entwicklung von Anlagestrategien die Regel ist und nicht etwa die Ausnahme. Im Paper „The Pitfalls of Asset Manage- ment Research“ schreibt der kanadische Forscher Campbell Harvey, dass Arbitrage beim Verfall der erzielten gegenüber den historischen Renditen wohl nicht die Haupt- rolle spielt. Seine Argumentation ist wie folgt: Wenn eine Strategie Alpha erzeugt, ist es unwahrscheinlich, dass zum Beispiel ETFs zu den Ersten gehören, die davon profitieren. Viel eher handelt es sich dabei um Hedgefonds. Bis also Backtests für neu aufzulegende ETFs durchgeführt werden, sollte der Verfall schon längst eingesetzt haben. Zum Ende des Zeitraums der Rück- rechnung hin müsste dann erkennbar sein, dass die Performance etwa bei Smart-Beta- Produkten abflacht. Paradoxer Effekt Doch das ist nicht der Fall, ganz im Ge- genteil: Die durchschnittliche Performance war vor Start der ETFs sogar besonders gut. Diesen paradoxen Effekt zeigten die Stu- dien „Chasing Performance with ETFs“ aus dem Jahr 2015 sowie „Competition for Immer wieder werden in überzeugenden Studien Anomalien und profitable Strategien veröffentlicht. Anleger, die Ergebnissen trauen, die via Rückrechnungen und Simulationen ermittelt wurden, riskieren, dass die Ansätze in der Praxis nicht halten, was sie versprechen. Backtest steil, Realität flach Performance der Indizes, die neu aufgelegten Smart-Beta-ETFs zugrunde liegen Dargestellt sind die Entwicklung des kumulativen 4-Faktor-Alphas sowie die 95-Prozent-Konfidenzintervalle von drei Jahren vor bis fünf Jahren nach Auflage. Die teils hohen Erwartungen aus den Backtests haben sich demnach in der realen Anwendung nicht erfüllt, was auf Überoptimierungen schließen lässt. Daten: US-Markt im Zeitraum von 2000 bis 2019. Quelle: Ben-David, I. / Franzoni, F. / Kim, B. / Moussawi, R. (2021), Competition for Attention in the ETF Space, S. 27 Monate vor bzw. nach ETF-Start 4-Faktor-Alpha in Prozent -5 % 0 % 5 % 10 % 60 48 36 24 12 0 -12 -24 -36 kumulatives Alpha 95-prozentiges Konfidenzintervall Geplatzte Renditeträume » Performance Chasing und Data Mining sind zwei der größten Fehler beim Investieren. « Rob Arnott, Gründer und Chairman, Research Affiliates 102 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | BACKT E S T I NG UND DATA MI N I NG FOTO: © RESEARCH AFFILIATES, GMF, WEERAPAT1003 | STOCK.ADOBE.COM

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