Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

punkt, aber hinterfragt wurde er trotzdem so gut wie nie. Taxonomie und Rüstung Auch war es ein Leichtes, sich darüber zu empören, dass Waffenproduzenten Lobby- arbeit dafür leisteten, es womöglich in die EU-Sozialtaxonomie zu schaffen. Nur wenige Wochen später wurde der Ruf nach einer verteidigungsstarken NATO und auch nach einer militärischen Unterstützung der Ukraine laut. Schmerzhaft musste die neue Bundesregierung einsehen, dass es mit der Lieferung von 5.000 Schutzhelmen nicht getan ist. Gruppierungen und Parteien, de- nen man das zuvor nicht zugetraut hätte, mussten darüber entscheiden, ob neben tragbarer Panzer- und Flugabwehr auch Geschütze, Panzer und sogar Jagdbomber in die Ukraine geliefert werden sollten. End- verbleibsklauseln wurden flugs überdacht und geändert. Zwar dienen die Waffenliefe- rungen im Fall der Ukraine ganz offensicht- lich nicht dem Erhalt des Friedens, aber zumindest der Verteidigungsmöglichkeit der Ukraine. Kommt man so dem Ziel der Gerechtigkeit näher, oder welches sonstige Ziel wird damit verfolgt? Es sieht danach aus, dass Asset Manager ihre Ausschlüsse und Investitionen in Waf- fenproduzenten neu überdenken müssen. Die einfache Formel Waffen = böse = Aus- schluss funktioniert so nicht, weil die Wirk- lichkeit komplexer ist. Wer für ein klares „Ja“ zum Verteidigungsbündnis der NATO und gleichzeitig für ein generelles „Nein“ zu Waffen ist, muss sich fragen lassen, wie er die NATO denn ausstatten will. Das Glei- che gilt im Übrigen für die Polizei. Da muss noch mehr Gehirnschmalz hin, und es wird keine einfachen Antworten geben. Selbst wenn man sich am Ende zu einer Antwort durchgerungen hat, wird es nicht einfach sein, diese den Investoren zu erklären und darüber zu berichten. Investitionen in Waffenproduzenten sind so brisant, dass kaum ein Asset-Manage- ment-Haus, das man hierzu fragt, sprechbe- reit oder auskunftswillig ist. Einer der we- nigen, die sich aus der Deckung wagen, ist Dr. Heinz-Werner Rapp, Chef der Denkfa- brik Feri Cognitive Finance Institute. Er er- klärt: „Wenn wie im Fall der Ukraine Waf- fen dazu dienen, das blanke Überleben als Nation zu sichern, dann erfüllt das per De- finition eine Grundprämisse für Nachhaltig- keit. In einer Welt, die kriegerischer gewor- den ist, sollte man also die ausschließlich negative Konnotation von Waffen überden- ken. Aber das Thema ist äußerst schwierig einzugrenzen. Ist ein Panzer defensiv oder offensiv? Wo will man da versuchen, eine Grenze zu ziehen?“ Der europäische Dachverband für Nach- haltigkeitsinstitute in der Finanzindustrie, Eurosif, lässt Asset Manager mit einem eher unkonkreten Statement zu Russland-Invest- ments stehen: „Wir ermutigen alle verant- wortungsbewussten Investoren nachdrück- lich, ihre Anlageorientierungen zu klären, um die direkte oder indirekte Finanzierung der Aggression nicht zu unterstützen. Diese Orientierungen sollten vermutlich über die bloße Einhaltung der verhängten Sanktio- nen hinausgehen.“ Das Forum Nachhaltige Geldanlagen, das Nachhaltigkeitssiegel für Fonds vergibt, teilt auf Anfrage mit, dass es sich dem Eurosif-Statement anschließt. Da- mit bleibt es den Managern nachhaltiger Fonds überlassen, ob sie über Sanktionsbe- stimmungen hinaus russische Unternehmen finanzieren wollen oder nicht. „[Auf diese Frage] gibt es in der nachhaltigen Kapital- anlage keine einheitliche Antwort. Hier kommt es letztlich auf die Anlagerichtlinien der Asset Manager an“, sagt Roland Kölsch, Geschäftsführer der Gesellschaft QNG, die das FNG-Fondssiegel vergibt, in einem Interview mit der „Börsenzeitung“. Der überraschend ausgebrochene Ukrainekrieg hat offengelegt, dass die Risikosteuerung der westlichen Länder viele wichtige Ziele nicht auf dem Schirm hatte. Ähnlich wie es nach der Finanzkrise zu einer neuen Sichtweise und Regulierung kam, wird es auch jetzt zu einer Neubewertung essenzieller Staats- und Unternehmensrisiken kommen. N o. 2/2022 | www.institutional-money.com 99 UKRA I NE UND E SG

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