Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

W enn du Frieden willst, dann rüste zum Krieg“, lautet ein römisches Sprichwort, dessen Grundidee Histori- ker Platon zuschreiben. Er erkannte schon 400 Jahre vor unserer Zeitrech- nung, dass man militärische Auseinan- dersetzungen im günstigsten Fall durch Abschreckung vermeiden kann. Und schon 100 Jahre vor ihm gelangte Heraklit zum Schluss, dass der Krieg der Vater aller Dinge ist. Kriege waren nicht nur Techno- logietreiber, sondern wiederholt auch Aus- löser gesellschaftlichen Fortschritts – sie ermöglichten etwa den Schritt von der Monarchie zur Demokratie. Wie sich der Russland-Ukraine-Krieg langfristig auswir- ken wird, ist offen. Fest steht aber schon jetzt, dass er eine Art Katalysatorwirkung entfaltet. Manches geht schneller oder erscheint nun in einem anderen Licht. Neue Wahrnehmung Dinge, die in den westlichen Ländern Europas in den letzten Jahren als gegeben betrachtet und kaum mehr beachtet wurden, hat der Krieg in kürzester Zeit in der Werteskala aus der Nichtwahrnehmung gerissen und ganz nach oben auf die globale Agen- da katapultiert, etwa die Themen: • Verteidigungsfähigkeit • Versorgungssicherheit mit Energie und Lebensmitteln • Lieferkettenanfälligkeit und Globalisierung Schlagartig werden manche Risi- ken wieder wahrgenommen, die ge- managt und bepreist werden müssen. „Energieunabhängigkeit ist jetzt wirklich ein Kernpunkt. Womöglich haben wir sie in der Vergangenheit zu sehr vernachlässigt. Vielleicht ha- ben wir auch andere Risikoprämien unterschätzt, etwa mit Russland“, sagte Stefan Bielmeier, Vorstandsmitglied und CIO der DZ Privatbank, auf der digitalen Amundi Investment Konferenz am 10. Mai. Angesichts der enormen Geschwindigkeit des Wertewandels reibt man sich verwundert die Augen. Nicht einmal zwei Wochen herrschte der Krieg, und schon stand ein Budget von 100 Milliarden Euro parat, das die Verteidigungsbereitschaft der Bundesre- publik stärken soll. Vorher störte man sich offenbar wenig daran, dass lediglich 40 Pro- zent der deutschen Militärhubschrauber ein- satzbereit waren und das Beschaffungswesen der Bundeswehr Jahre benötigt, um etwa neue Stiefel für die Soldaten zu beschaffen. Auf einmal wird klar, dass wir vieles ändern müssen. Leider reißen Veränderun- gen immer aus der Komfortzone und gestal- ten sich mühsam. Angesichts des Krieges hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede das Wort „Zeitenwende“ ge- prägt. Er bezog es auf die Neuausrichtung der deutschen Politik, aber der Krieg erfor- dert auch in Teilen unserer Branche eine Neuausrichtung. Ausschlüsse von Waffen Beginnen wir mit den Asset Managern. Bis vor dem Ukrainekrieg konnten sie den generellen Ausschluss von Waffenprodu- zenten als manifesten Beweis dafür vorweisen, dass sie es ernst meinen mit der Unterstützung des Weltfrie- dens. Das war verhältnismäßig kom- fortabel, erforderte es doch nur einen geringen Rechercheaufwand. Schon wenige Wochen nach Kriegsaus- bruch in der Ukraine mutet das fast schon naiv an. Die Frage, welche Unternehmen denn aus dem inves- tierbaren Universum wegfallen, wenn man beispielsweise Hersteller von Streubomben ausschließt, ver- mochte schon in der Vergangenheit kaum ein Fondsmanager aus dem Stegreif zu beantworten. Ein Aus- schluss also, der aus Investmentsicht kaum eine Rolle spielte, weil er das Investmentuniversum nicht merklich verkleinerte, ein scheinbarer Plus- Der Ukrainekrieg verursacht nicht nur eine humanitäre Katastrophe, er wird auch die Risikowahr- nehmung von institutionellen Investoren verändern. Zu den auffälligsten Verschiebungen zählt wohl die Einordnung von Rüstungsunternehmen, aber auch viele andere Themen werden neu bewertet. Gefährliche Risikoklumpung Anteil der russischen Gasimporte am Gasverbrauch ausgewählter Länder Die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten und Lieferländern wird künftig vermutlich anders bewertet, sowohl von Asset Managern als auch von Unternehmen und Staaten. Quelle: Statista, Stand 2020 oder aktuellste verfügbare Daten 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Ukraine* Irland Georgien Rumänien Niederlande Frankreich Polen Italien Deutschland Bulgarien Lettland Finnland Moldawien Bosnien und Herzegowina Nordmazedonien » Uns wird jetzt vor Augen geführt, dass richtig und falsch etwas anderes ist als nachhaltig oder nicht nachhaltig. « Dr. Heinz-Werner Rapp, Chief Investment Officer Feri Ein Krieg, der Werte verschiebt 98 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com SCHWERPUNKT UKRA I NE FOTO: © FERI, GMF UKRA I NE UND E SG

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