Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

zum notwendigen Übergang in eine kohlen- stoffarme Wirtschaft. Mit einer deutlich gestiegenen Nachfrage steigt aber auch das Risiko von Greenwashing. Zwar besteht für Emittenten von Green Bonds die grundsätz- liche Verpflichtung, dass das aufgenomme- ne Kapital ausschließlich zur Finanzierung oder Refinanzierung von Projekten verwen- det wird, die eine positive Auswirkung auf die Umwelt und/oder die Nachhaltigkeit ha- ben. Außerdem muss ein jährlicher Bericht veröffentlicht werden, der den Anlegern Aufschluss über den Nachhaltigkeitsnutzen gibt, der durch die effektive Verwendung der aufgenommenen Mittel erzielt wurde. Um Reputations- und Regulierungsrisiken vor- zubeugen, müsste aber ein Referenzrahmen geschaffen werden, der die Kriterien harmo- nisiert und formalisiert, die die Bewertung einer Green-Bond-Emission in Bezug auf den damit verfolgten Zweck, die Integrität und die Transparenz ermöglichen. Aber die Europäische Kommission hat doch Vorschläge zu einem Green Bond Standard vorgelegt. Und auch die International Capital Market Association hat ihre Green Bond Principles veröffentlicht. Philippe Zaouati: Es wird aber voraussichtlich erst 2023 zu einer Verpflichtung für Emit- tenten werden, solche Standards bei der Emission von grünen Anleihen zu berück- sichtigen. Heute kann jedes Unternehmen sein aktuelles Anleihenprogramm selbst als grün kennzeichnen. Zudem wäre ein uni- verselles Label nötig, das Standards für positive ökologische und/oder nachhaltige Auswirkungen setzt, um der derzeit noch mangelnden Transparenz bei der Verwen- dung der Erlöse wirkungsvoll zu begegnen. Green-Bond-Investoren sind daher nach wie vor mit dem Problem konfrontiert, dass es der verfolgten Nachhaltigkeitsstrategie an Wirkung und Konsistenz mangelt. Wir soll- ten dahin kommen, dass es nicht mehr so leicht ist, die Mittelverwendung für das vom Green Bond finanzierte „grüne“ Projekt von der gesamten Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten umfassend zu trennen. Werfen wir einen Blick nach vorn: Was sehen Sie auf die Branche des nachhaltigen Investierens zukommen? Philippe Zaouati: Ich würde sagen, dass wir zu einem gewissen Grad den einfachsten Teil erledigt haben. Die tief hängenden Früchte sind geerntet, was die Integration von Nachhaltigkeit wie auch einiger sozia- ler Aspekte in die Investmententscheidun- gen institutioneller Investoren betrifft. Aber wir sind noch nicht im Herzstück des Kapitalmarktes angekommen. Denn der Kern des Systems ist immer noch derselbe. Der Markt verhält sich immer noch genauso wie früher. Kurzfristiges Denken und Han- deln bestimmen immer noch das Gesche- hen, und die meisten Marktteilnehmer schauen nach wie vor in erster Linie auf die Quartalsergebnisse von Unternehmen. Die finanzielle Performance ist immer noch die entscheidende treibende Kraft. Natürlich brauchen wir Unternehmen, die auskömm- liche Gewinne erzielen, aber sie müssen eben auch einen Beitrag zu der vor uns liegenden Transformation leisten. In der Realität aber machen passive Investments immer noch 50 Prozent der Anlagen von Pensionsfonds aus, und der Hochfrequenz- handel blüht nach wie vor. Die Frage ist, ob wir das System überhaupt von innen heraus verändern werden können. Das war jeden- falls der Anspruch, der uns vor zehn Jahren zur Gründung von Mirova veranlasst hat. Diese Frage beschäftigt mich allerdings auch heute im Grunde noch jeden Tag. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Mit einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach Green Bonds steigt aber auch das Risiko von Greenwashing. « Philippe Zaouati, CEO von Mirova 76 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PH I L I PP E ZAOUAT I | MI ROVA FOTO: © FRANÇOIS DABURON

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