Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

übersieht – dazu genutzt werden können, unseren Investmentprozess zu unterstützen und vor allem den Outcome zu verbessern. Denn schlussendlich geht es bei ESG doch um weit mehr als Glaubens- oder Wertefra- gen. Am Ende zählt dabei vor allem, wie man diese Daten nutzen kann, um bessere Investitionsentscheidungen für unsere Kun- den zu treffen. Zweitens hat sich die Um- setzung des Nachhaltigkeitsthemas verän- dert. Vor fünf Jahren, als sich auf der Kun- denseite ein zunehmendes Interesse an ESG-Investments herausgebildet hatte und es sich immer mehr zu einem „Hot Topic“ entwickelte, wollten viele Anbieter mög- lichst schnell auf diesen Zug aufspringen und entsprechende Produkte auf den Markt bringen. Heute bin ich froh, dass unsere Ge- sellschaft hier eher abwartend geblieben ist. Wir haben erkannt: Wenn wir den Anspruch hegen, der weltweit beste ESG-Manager zu sein, müssen wir das Nachhaltigkeitsthema zunächst einmal in seiner Gänze durchdrin- gen und wirklich verstehen. Wo unterscheidet sich Ihre Gesellschaft denn tatsächlich vom Wettbewerb? Jennifer Wu: Ich glaube schon, dass wir ein tiefes Verständnis dafür entwickelt haben, was ESG-Integration wirklich bedeutet. Na- türlich unterscheidet sich unser Ansatz in Teilen nicht wesentlich von der Art, wie auch andere das Thema angehen. An der Basis arbeiten auch wir mit bestimmten Ausschlusslisten oder suchen nach Best-in- Class-Vertretern in einzelnen Branchen. Wir haben darüber hinaus aber eine eigene ESG-Datenbank aufgebaut, in die eine immense Zahl von Informationen einfließt, die weit über die Metriken von Drittanbie- tern hinausreichen, weil wir schon früh erkannt haben, dass es nicht ausreicht, sich auf den Datenstrom von externen Anbietern zu verlassen. Darüber hinaus kommt dem gesamten Themenkomplex Stewardship eine immer größere Bedeutung zu. Der aktive Dialog mit börsennotierten Unter- nehmen, in die wir investieren, wird immer wichtiger. Wer sich unseren kürzlich er- schienenen Stewardship Report, der inzwi- schen 134 Seiten umfasst, etwas intensiver anschaut, wird schnell feststellen, dass wir es mit den Themen aktive Eigentümerschaft und verantwortungsvolles Investieren durch- aus ernst meinen. Nicht zu vergessen der Aspekt Divestment als wesentlicher Be- standteil unserer Strategie. Als Kritiker würde man sagen, dass das alles doch eigentlich schon immer zum Handwerkszeug eines guten Asset Mana- gers gehört hat, nur hat man es früher im Grunde unter dem Stichwort Governance zusammengefasst. Jennifer Wu: Ich denke, dass es auch heute noch wichtig ist, sich als Fondsmanager zu- allererst darauf zu konzentrieren, wie es um die Unternehmensführung einer Aktienge- sellschaft, in die man investiert, steht. Denn am Ende ist das nach wie vor die wesent- liche Grundlage eines Unternehmens. Man sollte sehr genau wissen, wie es um die Vorstandsstruktur einer Gesellschaft bestellt ist, wer die CEOs und das Management- team beaufsichtigt, ob das Unternehmen seine Steuern ordnungsgemäß entrichtet und ob es einen zuverlässigen und unabhän- gigen Wirtschaftsprüfer beauftragt hat. Aus diesem Grund ist das „G“ in ESG nach wie vor so etwas wie die Essenz von allem; zumal es auch heute noch nur sehr wenige Unternehmen gibt, die beim „G“ schlecht abschneiden, beim „E“ und beim „S“ aber sehr gute Werte aufweisen. Aber es gibt heutzutage sehr gute Gründe dafür, „E“, „S“ und „G“ in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Denn damit deckt man als Fondsmanager wesentliche Aspekte ab, die vor zehn Jahren noch gar keine Relevanz gehabt haben. » Es reicht nicht aus, sich auf den Datenstrom von externen Anbietern zu verlassen. « Jennifer Wu, Globale Leiterin Nachhaltigkeit bei J.P. Morgan AM 58 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | J ENN I F ER WU | J . P. MORGAN AS S E T MANAGEMENT FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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