Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Und auf der Rentenseite? Thomas Jesch: Hier bleibt es für institutio- nelle Investoren bei einem Dilemma. Zum einen wird sich die zuletzt zu beobachtende sukzessive Abwertung von Bestandsanlagen wohl noch geraume Zeit fortsetzen. Zum anderen mag es durchaus sein, dass sich im Bereich der Unternehmensanleihen oder auch im High-Yield-Sektor die eine oder andere Chance auftun wird. Allerdings müs- sen Investoren ihre Engagements natürlich immer einer sorgfältigen Risikoprüfung unterziehen, auch was eventuelle Währungs- risiken ihrer Engagements angeht. Daher wird vielen nichts anderes übrig bleiben, als sich am Ende dann doch mit nach wie vor extrem geringen Erträgen aus Euro-Anlagen zufriedenzugeben, die ein für sie akzeptab- les Rating aufweisen. Wie sieht es auf der Seite der Immobilien- anlagen aus, Herr Klauke-Werner? Michael Klauke-Werner: Aus meiner Sicht be- finden wir uns in Bezug auf die Nachfrage nach Immobilien-Investments seitens insti- tutioneller Investoren in einer Art Phase der Neuorientierung. Waren die Märkte in den vergangenen zehn Jahren von einer hohen Nachfrage nach Logistik-Objekten geprägt, ist das Interesse derzeit verhalten. Zum ei- nen werden kaum noch Neubauflächen aus- gewiesen, zum anderen spielt dabei sicher auch die zunehmend unsichere Wirtschafts- entwicklung eine Rolle. Der Bürosektor er- fährt nicht nur durch die Entwicklung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine Art Neubewertung hier spielt auch die Notwendigkeit einer Anpassung aufgrund der gesamten ESG-Thematik eine Rolle. In Deutschland in den Top-Sieben-Lagen, in den Wachstumsstädten in Europa wie Wien, Paris, Amsterdam, Helsinki und natürlich London, in denen Büroflächen immer ge- braucht werden, ergeben sich dadurch aber interessante Möglichkeiten für „Managed to Green“ Investments. Der von Investoren ak- tuell am stärksten gesuchte Bereich ist der Sektor Wohnen mit dem Trend zu system- relevanten Spezialimmobilien. Was meinen Sie konkret? Michael Klauke-Werner: Aufgrund der abseh- baren Veränderungen durch Demographie und Überalterung der Gesellschaft rücken die unterschiedlichsten Arten von Wohnim- mobilien für Senioren zunehmend ins Inte- resse langfristig denkender institutioneller Investoren. Das kann insofern nicht ver- wundern, als die Menschen immer älter werden, aber familiäre Strukturen nicht mehr so funktionieren wie früher, die Un- terstützung älterer Menschen findet zuneh- mend weniger in der eigenen Familie statt. Von daher wird sich die Nachfrage nach Themen wie einem seniorengerechten Woh- nen, aber auch nach allen Arten von Ge- sundheits-, Klinik- und Pflegeimmobilien künftig auf einem hohen Niveau bewegen. Am Ende stellt sich natürlich die Frage, wie sich ein institutioneller Investor angesichts der aktuellen Entwicklung aufstellen soll. Thomas Jesch: Ich glaube, es wird gerade auf- grund der derzeit in vielen Marktsegmenten herrschenden Unsicherheit und der momen- tan kaum einzuschätzenden Entwicklung in Bezug auf die weiteren Auswirkungen des Kriegsgeschehens in der Ukraine kaum et- was anderes übrig bleiben, als sich auf das wesentliche Grundprinzip einer umsichtigen Kapitalanlage zu konzentrieren: Das ist eine möglichst breite Diversifikation. Die dazu notwendigen Informationen bereitzustellen und sich über eine Art Netzwerk mit ande- ren auszutauschen, dazu wollen wir mit unserer Organisation einen Beitrag leisten. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER » Im Anleihensegment wird sich die zu beobach- tende sukzessive Abwertung von Bestandsanlagen wohl noch geraume Zeit fortsetzen. « Dr. Thomas Jesch, Bund institutioneller Investoren 54 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | DR. THOMAS JESCH & MICHAEL KLAUKE-WERNER | INSTITUTIONELLE KAPITALANLAGE FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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