Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Michael Klauke-Werner: Derzeit überlagern na- türlich das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die damit unmittelbar wie auch indirekt verbundenen Konsequenzen massiv alles andere. Egal mit wem man derzeit spricht, bei allen Beteiligten im Bereich der institu- tionellen Kapitalanlage ist große Verunsi- cherung spürbar. Was im Grunde ja auch nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, dass durch den russischen Einmarsch und die in der Folge verhängten Sanktionen im Prinzip gerade so etwas wie eine Neudefi- nition von Geopolitik und vor allem Geo- ökonomie stattfindet, die die Wirtschaft als Ganzes in Mitleidenschaft zieht. Thomas Jesch: Als wäre das nicht schon ge- nug, gesellt sich eine zunehmende Schwä- che in nahezu allen Segmenten der Kapital- märkte hinzu. Das gilt für die Aktienmärkte genauso wie für den Bereich der zinstragen- den Wertpapiere. Gerade der für institutio- nelle Investoren besonders bedeutende An- leihenbereich ist unter Druck geraten. Auf der einen Seite lassen natürlich steigende Zinsen darauf hoffen, dass in absehbarer Zeit auch mit Anlagen in festverzinslichen Werten wieder einigermaßen auskömmliche Erträge zu erzielen sein werden. Anderer- seits sorgt die altbekannte Regel „Steigende Zinsen gleich sinkende Kurse“ zunächst einmal für Abschläge bei den aktuellen Bewertungen der Bestandsportfolios von institutionellen Anlegern. Das lässt deren Sorgenfalten nicht kleiner werden. Michael Klauke-Werner: Gleichzeitig scheint sich zudem die Inflation wie eine Art unge- liebter Dauergast im weltweiten Wirt- schaftsgeschehen einzunisten. Die Zentral- banken, allen voran die amerikanische Fe- deral Reserve und nach langem Zögern in- zwischen auch die EZB, signalisieren zwar, dass sie ihre Möglichkeiten nutzen werden, um einem weiteren Anstieg der Teuerungs- raten entgegenzuwirken. Es stellt sich nur die Frage, wie wirksam entsprechende Maßnahmen überhaupt sein können ange- sichts der tatsächlichen Gründe für nach wie vor massiv steigende Preise. Sie meinen, weil dahinter nicht eine schwa- che Nachfrage steckt, wie das in den 70er- Jahren des vorigen Jahrhunderts der Fall gewesen ist? Thomas Jesch: Das ist ja der Unterschied. Heute sind es in erster Linie die massiv ge- stiegenen Preise für Energie und Rohstoffe, die zuletzt für eine zunehmende Teuerung gesorgt haben. Hinzu kommen Probleme in Bezug auf die Versorgung und den Nach- schub aufgrund von ungelösten Problemen in den Lieferketten, die durch die Situation in China, das mit erheblichen Problemen aufgrund seines strikten Kurses zur Be- kämpfung der Corona-Pandemie konfron- tiert ist, noch verschärft werden. Auf beides hat eine Notenbank nur sehr begrenzten Einfluss. Michael Klauke-Werner: Das bremst inzwi- schen nicht nur die traditionellen Invest- ments aus. Auch alternative Anlagen sind unter Druck geraten, inklusive dem Bereich Real Assets. Im Immobiliensektor findet zwar insofern noch keine generelle Neube- wertung statt, als man noch nicht von star- ken Preisabschlägen sprechen kann. Aber mit steigenden Zinsen verschlechtern sich natürlich vor allem die Finanzierungsbedin- gungen für Neuinvestments oder bei anste- henden Prolongationen bei der Finanzie- rung. Für institutionelle Investoren werden zudem die Wertminderungen im Bereich der festverzinslichen Anlagen unter Um- ständen früher oder später zum Problem. Inwiefern? » Gerade der für institutionelle Investoren besonders bedeutende Anleihenbereich ist unter Druck geraten. « Dr. Thomas Jesch, Bund institutioneller Investoren 50 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | DR. THOMAS JESCH & MICHAEL KLAUKE-WERNER | INSTITUTIONELLE KAPITALANLAGE FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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