Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

D as hat gesessen: „Vor dem Hintergrund der dynami- schen regulatorischen, ener- gie- und geopolitischen Lage haben wir beschlossen, unsere geplante Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zurückzustellen“, erklärte Anfang Mai Mark Branson, seit 1. August vergangenen Jahres Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht, auf der Jahrespressekon- ferenz der Behörde. Für eine dauerhafte Regulierung sei das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil, so Branson, der damit der ohnehin schon herrschenden Verunsiche- rung an den Märkten weiteren Schub ver- liehen hat. Grund genug, mit jemandem zu sprechen, der sich mit Ursachen und Wir- kungen von Finanzkrisen bestens auskennt. Also haben wir Jan Pieter Krahnen, Profes- sor für Kreditwirtschaft und Finanzierung im House of Finance der Goethe-Universi- tät in Frankfurt, in seinem Büro aufgesucht. Herr Prof. Krahnen, seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges wird oft von einer neuen geoökonomischen Weltordnung gesprochen, auf die man sich wird einstellen müssen. Teilen Sie diese Auffassung? Jan Pieter Krahnen: Es ist durchaus zu hinter- fragen, ob die grundsätzliche Geschäfts- grundlage dieser Weltordnung, auf deren Funktionieren und Fortbestehen wir lange vertraut haben, nicht in weiten Teilen dauer- haft zerstört ist und sich auch auf längere Zeit nicht wiederherstellen lassen wird. Die- se Weltordnung basiert auf weltweiter Ar- beitsteilung und einem hohen Vertrauen auf das Primat wirtschaftlicher Interessen. Of- fensichtlich folgen Wirtschaftsentscheidun- gen nicht mehr uneingeschränkt dieser Logik: Energiemärkte, Lieferketten und Vertriebs- systeme werden zurzeit neu aufgebaut und folgen einer Logik der Abkopplung und Eigenständigkeit. Ich erwarte hier eher eine Diversifikation in der Lieferstruktur als eine Konzentration in einem bestimmten Land oder auf einen ausgewählten Hersteller. Und diese Veränderungen werden parallel auch Als Folge des Ukrainekonflikts werden unsere Wirtschaftsstrukturen nicht mehr so sein, wie wir sie kannten, erwartet Jan Pieter Krahnen , Professor an der Goethe-Universität Frankfurt. Das Megathema ESG leidet seiner Ansicht nach unter einer Schiefe in der Taxonomie. » GREEN FINANCE IS Jan Pieter Krahnen : „Es ist durchaus zu hinterfragen, ob die grundsätzliche Geschäftsgrundlage der Weltordnung, auf deren Funktionieren und Fortbestehen wir lange vertraut haben, in weiten Teilen dauerhaft zerstört ist und sich auf längere Zeit nicht wiederherstellen lassen wird.“ 34 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PROF. JAN P I E T ER KRAHNEN | HOUS E OF F I NANC E FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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