Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

D ie Abbildung von Nach- haltigkeitsrisiken spielt im Versicherungsgeschäft eine zunehmend wichtiger wer- den Rolle, und das findet auch in der Weiterentwicklung des Solvency-II-Regel- werks besondere Beachtung. Im Sep- tember 2021 unterbreitete die EU- Kommission Vorschläge dafür, wie es in der Risikobetrachtung von Ver- sicherern weitergehen soll. Die Ent- wicklung findet in drei Bereichen statt: • bei der Risikobetrachtung für Kapi- talanlagen und Aktivitäten, die einen besonderen Einfluss auf ökologische oder soziale Ziele haben • bei der Berücksichtigung von Naturkata- strophen-Wahrscheinlichkeiten in der Standardformel • bei der Durchführung von Klimawandel- szenarien im Orsa „Orsa“ steht für „Own Risk and Solvency Assessment“, betrifft also die unterneh- menseigene Risiko- und Solvabilitätsbeur- teilung von Versicherungsunternehmen. Und die Orsa-Anpassungen wurden zeitlich vorgezogen. Diese Form der Risikoanalyse stellt die zweite Säule des Solvency-II- Berichtswesens dar, während die Berech- nung der Solvenzkapitalanforderung (Sol- vency Capital Requirement, SCR) die erste Säule ist. „Orsa soll Impulse setzen, wie man sein Unternehmen richtig steuert. Es ist aber auch ein Aufsichtsinstrument, denn es stellt die Grundlage für den Dialog zwischen Aufsicht und Unternehmen dar“, erklärt Götz Treber. Er leitet das Kompetenzzen- trum Unternehmenssteuerung und Regulie- rung sowie die Abteilung Finanzregulierung des Gesamtverbandes der Deutschen Versi- cherungswirtschaft e.V. (GDV). Klimawandelrisikoszenarien Bereits am 19. April 2021 hat die EIOPA eine Stellungnahme zu den neuen Orsa- Maßnahmen veröffentlicht, die von den nationalen Aufsichtsbehörden umzusetzen sind. „Die BaFin hat Ende 2021 ihre Anforderung formuliert“, erklärt Treber. „Mit Beginn des Jahres 2022 müssen Ver- sicherer nun im Orsa auch Klimawandel- risikoszenarien berücksichtigen, denen sie kurz- und langfristig ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten“, so Treber. „Viele Versicherer werden als Zahlengrundlage für ihre Berichterstattung das Jahresende 2021 nutzen.“ Risiken durch den Klimawandel Die EIOPA begründet die neuen Maßnah- men: Der Klimawandel stelle ein ernsthaf- tes Risiko für die Gesellschaft insgesamt dar – und daher auch für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen. Die nachteiligen Auswirkungen der globalen Er- wärmung auf natürliche und menschliche Systeme seien bereits heute sichtbar, und ohne weitere internationale Klimaschutz- maßnahmen würden die globale Durch- schnittstemperatur und die damit verbunde- nen physischen Risiken weiter zunehmen, was das versicherungstechnische Risiko der Unternehmen erhöhen, sich auf die Vermö- genswerte auswirken und ihre Geschäfts- strategien in Frage stellen könnte. Die ex- treme Trockenheit im Jahr 2018, die zu Ern- teeinbußen von teilweise über 80 Prozent geführt hat, oder die Überschwemmungen im Ahrtal im Sommer 2021 hätten gezeigt, dass der Klimawandel real ist und Auswir- kungen auf Versicherungen und die Volks- wirtschaft insgesamt hat. Daher sollen Ver- sicherer Klimawandelrisikoszenarien in ihre Systeme integrieren: ins Governance-Sys- tem, das Risikomanagementsystem und in Orsa. Die Betrachtung soll dabei sowohl kurz- als auch langfristig erfolgen. Die kurzfristige Betrachtung berücksichtigt die physischen Risiken und die Übergangsrisi- ken, die bereits heute beobachtet werden können, etwa extreme Wetterereignisse, Überflutungen oder die Einführung einer Kohlendioxidsteuer. Für solche Betrachtun- gen hat die Versicherungswirtschaft seit je- her statistische Zahlen der Vergangenheit herangezogen und in die Zukunft projiziert. Zwei Szenarien Neu ist die jetzt eingeführte Szenario- betrachtung im Orsa, deren Ergebnisse dann Eingang in die Planungs- und Strategie- prozesse der Versicherer finden sollen. Min- destens unter folgenden zwei Szenarien sol- len die wesentlichen Klimawandelrisiken betrachtet werden: EIOPA und BaFin zwingen Versicherer dazu, in ihrer Planung Nachhaltigkeitsrisiken stärker zu gewichten. Ab 2022 müssen sie im „Own Risk and Solvency Assessment“ auch Klimawandelrisiko- szenarien berücksichtigen – teilweise bis zum Jahr 2100. » Schon die Datenverfügbarkeit bis 2050 ist nicht einfach. Das gilt erst recht für Daten, die bis 2100 reichen sollen. « Götz Treber, Kompetenzzentrum Unternehmenssteuerung und Regulierung, GDV Schreckens szenarien 268 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | SOLVENCY I I FOTO: © DOMINIK BUTZMANN, THINGLAS | STOCK.ADOBE.COM

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