Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

„Den Asset Managern reicht ein Echtzeit- börsenticker in Sekundentaktung“, sagt Sie- bel. „Alles, was schneller ist, benötigen wir nicht.“ Aber gerade im Bereich der Hoch- frequenzdaten würden die Börsen gern ihre Datenpakete vermarkten. „Die Hochfre- quenzhändler sollen für schnellere Daten bezahlen“, ist Siebel für getrennte Kas- sen, je nach Geschwindigkeitsbedarf. Er verweist darauf, dass viele Anbie- ter von multilateralen Handelssyste- men (Multilateral Trading Facilities, MTFs) in den Niederlanden angesie- delt sind. „Die MTFs in Amsterdam haben ein so hohes Handelsvolumen wegen des geringen Abstands zu den Märkten in London, was den Effekt der Geschwindigkeit der Infrastruktur im Arbitragehandel reduziert.“ Hohe Fragmentierung Grundsätzlich befürwortet die Börse Stuttgart die Einführung des CT, weil das die Markttransparenz erhöhe. Bei einzelnen noch offenen Punkten komme es aber stark darauf an, wie sie am Ende umgesetzt wer- den. „Mit dem CT kommen wir dem Ziel der Transparenz zwar näher, aber vollstän- dige Transparenz ist damit immer noch nicht gegeben“, meint Guntrum und ver- weist auf die extrem hohe Fragmentierung der europäischen Handelsplätze. „Eine Aktie können Anleger in Europa an rund 600 Handelsplätzen handeln, wenn man alle Banken und Handelsplattformen mitzählt. Da ist es schwer herauszufinden, wo der beste Preis und die höchste Liquidität sind. Das neue System kann das zwar anzeigen, aber es ändert nichts an der hohen Frag- mentierung“, bemängelt Guntrum. Wenn man es ernst meint mit der Ver- besserung der Transparenz, muss womög- lich auch noch der Bereich des Dark Trading reguliert werden. Dem kann Siebel nur zustimmen. „Bislang können größere Orders auf regulierten Plattformen abseits einer Börse zum sogenannten Referenzpreis durchgeführt werden, während an der Leit- börse kleinteilig und superschnell gehandelt wird. Die EU-Kommission prüft daher, wie sie mehr Handel an die Börse bringen kann, um die Liquidität dort zu erhöhen. Wir hal- ten den Handel an der Börse für wichtig“, so Siebel. Das Problem ist aber: Die Aus- führung von Großorders ohne Market Im- pact ist über den Börsenhandel nur bis etwa 200.000 Euro möglich. „Die Fondsgesell- schaften handeln aber regelmäßig Millio- nenbeträge. Wenn sie die Orders einfach nur über die Börse abwickeln, würde der Preis durch das ,Zerhacken‘ der großen Orders in viele kleine Handelsschritte dem Markt bekannt, und die Preise würden erheblich negativ zulasten der Fondsanleger beein- flusst. Daher fordern wir, dass die MTFs mit der Möglichkeit des unbeschränkten Börsenreferenzpreishandels erhalten blei- ben, um keine Nachteile gegenüber den Arbitrageuren zu erleiden.“ Diskutiert wird auch über den geografi- schen Umfang der Datensammlung, ob bei- spielsweise auch die Schweiz und Groß- britannien miteinbezogen werden. Die As- sociation for Financial Markets in Europe (AFME) befürwortet eine paneuropäische Lösung: „AFME fordert die EU auf, mit den Behörden des Vereinigten Königreichs und der Schweiz zusammenzuarbeiten, um ein europaweites CT zu schaffen. Dies würde den Nutzen für die Marktteilnehmer maximieren, indem es eine einheitliche kon- solidierte Datenquelle darstellt, im Gegen- satz zu separaten CTs, die alle dieselben Instrumente abdecken.“ AFME ist eine europäische Lobbyorganisation marktfüh- render Unternehmen aus der Finanzbranche, der zahlreiche europäische und internatio- nale Großbanken, Versicherungen und Finanzinstitute angeschlossen sind. Eine Konsolidierung auch der Schweizer und der britischen Daten macht eine Einigung nicht einfacher, zumal Großbritannien gerade dabei ist, sein eigenes Consolidated Tape einzuführen. Datenqualität Neben Umfang und Aktualität der Daten ist auch die Qualität ein wichtiger Faktor. „Jede Plattform muss ihre Daten in einem standardisierten Datenformat liefern, sonst ist keine qualitativ hochwertige Datenbank möglich“, meint Guntrum. „Hier liegt aber der Teufel im Detail. Erst einmal ist zu klä- ren, was ein Trade genau ist und ob er preis- transparent war. Das hat viel mit Standard- setzung zu tun.“ Daneben ist noch das Datenformat zu klären. Bei 27 EU-Mit- gliedsstaaten und womöglich noch Groß- britannien und der Schweiz ist das kein leichtes Unterfangen. Die AFME befürwor- tet den gemeinsamen Datenstandard, der von FIX Protocol entwickelt wurde. Heute sei die Datenqualität insbesondere im Rentenhandel unzureichend, bemängelt Siebel die aktuelle Lage. „Die EU gibt zwar Datenfelder vor, aber sie werden nicht ein- heitlich befüllt. Hier gibt es von Land zu Land große Unterschiede. Die Illiquidität im Rentenhandel hat dazu geführt, dass die EU-Regulierung im Rentenbereich unter- schiedliche Veröffentlichungsfristen von drei Stunden bis zu vier Wochen zulässt. Eine Zeitverzögerung von bis zu vier Wo- chen ist schon enorm für die Transparenz und damit die Liquidität! Daher soll diese Frist jetzt auch auf 14 Tage verkürzt wer- den. Das unterstützen wir“, so Siebel. EU All Share Index Er hat noch einen Wunsch, der sich wo- möglich mit dem CT leichter realisieren lässt: „Wir fordern einen EUAll Share Index als separates Indexprodukt. Wenn die EU- Kommission den EU-Aktienmarkt daten- mäßig darstellen möchte, könnte sie einen solchen Index im CT auf den Weg bringen und dem Markt zur kostenlosen Nutzung überlassen. Das würde auch dem politi- schen Wunsch Rechnung tragen, die EU- Kapitalmarktunion für die Bürger erlebbar zu machen“, fügt Siebel hinzu. Ein neuer europäischer Aktienindex würde in Konkur- renz zu den bestehenden Indizes treten. Dass Index-Vendoren wie FTS oder Stoxx daran nur ein beschränktes Interesse haben, versteht sich. ANKE DEMBOWSKI » Im Fixed-Income-Bereich stellt sich die Notwendigkeit eines einheitlichen Daten- tickers viel deutlicher als bei Aktien. « Simon Guntrum, Experte für Regulierung an der Börse Stuttgart 258 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | CONSOL I DAT ED TAP E FOTO: © BÖRSE STUTTGART

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