Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

zehn Jahren um 62 Prozent verteuert hätten, wobei in einigen Großstädten der Anstieg deutlich stärker ausgefallen ist. Für die Schweiz ortete unter anderem die UBS- Immobilienökonomin Katharina Hofer besonders im Luxussegment einen Boom – was man etwa am Genfer Vorort Cologny ablesen konnte, wo der Quadratmeterpreis mindestens 36.000 Schweizer Franken betrug. Bekanntlich haben sich die Sorgen vor knapp einem Jahr nicht manifestiert – mit der zusätzlichen Variable „Krieg“ und dem angebotsbedingten Inflationsschub könnte sich die Gemengelage aber verkomplizie- ren. Gekoppelt hat die BIS ihre Immobilien- marktprognosen an die Entwicklung des Zinsniveaus. Blieben diese unverändert, würde ein „spekulatives, nonlineares Ele- ment“ in den Markt hineinspielen, „das zu einem weiteren Anstieg der Häuserpreise um 20 Prozent bis 2025 und anschließend zu einer schmerzhaften Korrektur führen würde“, wie BIS-Co-Autor Rungcharoen- kitkul erklärt. „Steigen die Zinsen jedoch um 100 bis 200 Basispunkte an, so würde dieses gra- duelle Anziehen der Geldpolitik dazu füh- ren, dass das prozyklische spekulative Ele- ment gedrosselt und ein Boom-and-Bust- Szenario abgewendet werden könnte“, so Igan. Die entsprechenden BIS-Projektionen (siehe Chart „Boom and Bust?“) würden dann eine Seitwärtsbewegung vorsehen. Warnung für Deutschland Ein derartiges Seitwärtsszenario halten auch die Immobilienexperten der LBBW für Deutschland für wahrscheinlich. „Eine Preisblase besteht zwar nicht, dennoch stellt die Zinswende eine ernste Bewährungs- probe dar“, wie der Immobilien- marktanalyst Martin Güth von der LBBW meint, was für den Markt „in eine jahrelange Seitwärtsentwick- lung“ münden würde. Auch leichte Rückgänge seien im Zuge dessen einzukalkulieren. Vorerst ist der Immobilienpreisin- dex des Verbands deutscher Pfand- briefbanken (vdp) im ersten Quartal 2022 jedoch weiter gestiegen. Der Gesamtindex für Wohnimmobilien markierte im Mai 2022 ein neues Allzeithoch und legte dabei – wie schon im Vorquartal – mit einer Rate von 10,7 Pro- zent gegenüber dem Vorjahresquartal zu. „Die aktuellen vdp-Daten stehen noch nicht merklich unter dem Einfluss des Zinsan- stiegs. Sie sollten daher keinen Immobilien- verkäufer oder -interessenten in falscher Si- cherheit wiegen. Die Zinswende bedeutet für den Immobilienmarkt eine Zeitenwen- de“, urteilt Martin Güth. „Der derzeitige Zinsanstieg bedeutet eine massive Verteue- rung der Finanzierung und führt zu kräfti- gem Gegenwind für die Preise“, so Güth weiter. „Der Zinsanstieg allein würde einen Rückgang um bis zu 25 Prozent rechtferti- gen. Dem stehen jedoch eine Vielzahl marktstützender Faktoren entgegen, wes- halb es per saldo eine Seitwärtsbewegung werden wird.“ Dieses Jahr sollten die Preise noch etwas zulegen. Ab 2023 seien Rück- gänge um zwei bis vier Prozent möglich. Faktor Ukraine Ein ganzes Bündel von Faktoren sieht der Experte neu oder verstärkt auf den Markt einwirken. Dazu gehört beispielsweise der Wohnraumbedarf von mehreren hunderttau- send Flüchtlingen aus der Ukraine. Zugleich bremst der Baustoff- und Fachkräftemangel die Bautätigkeit aus und treibt die Neubau- preise nach oben. In ihrer Wirkung gern unterschätzt werde die Suche der Anleger nach risikoarmen Investments, fügt Güth hinzu. Dies gelte insbesondere in schwieri- gen Zeiten. In Summe wiege dies „den epo- chalen Wandel auf, den der Markt durch- macht“, erklärt Güth. Seit Jahresbeginn sind die Zinssätze um rund 1,5 Prozentpunkte gestiegen und haben sich damit mehr als verdoppelt. Einen weiteren nachhaltigen Anstieg erwartet Güth nicht. Die Langfrist- zinsen werden sich in den kommenden Jahren voraussichtlich nahe des aktuellen Niveaus einpendeln. Beruhige sich der Zinsanstieg wie erwartet, verlaufe die Haus- preisentwicklung im laufenden Jahr noch positiv, bevor sie in eine Seitwärtsbewe- gung übergehe. Sollte es jedoch zu einem weiteren Anstieg der Zinsen kommen, erwartet der LBBW-Experte deutliche Konsequenzen im Hinblick auf die Preisentwicklung der Wohnimmobilien. Das Risiko einer kräftigen Preiskorrektur sieht er aber „vor allem für den Fall, dass die Zinsen weiter kräftig steigen, während die Wirtschaft nicht vom Fleck kommt – ein echtes Stagfla- tionsszenario also. Dann dürften Preisrückgänge in einer Größenord- nung von 20 Prozent bis 25 Prozent möglich sein“, so Güth. Für Privathaushalte im Speziellen droht sich die Situation von zwei Seiten her zu verschärfen. Einmal wird der Wohnraum wegen der Zu- wanderung und der Bauprobleme noch knapper. „Der Zinsanstieg er- schwert zudem die Finanzierung, sodass der Kauf einer Immobilie für immer mehr Haushalte finanziell Boom and Bust? Preisszenarien abhängig von der Entwicklung der Zinsen Je nach Zinsszenario kommt es laut der BIS-Analyse zu verschiedenen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Ein „Boom and Bust“ ist nur wahr- scheinlich, wenn die Zinsen auf dem aktuellen Niveau bleiben. Quelle: BIS 50 100 150 200 Zinsen konstant Zinsen + 200 BP Zinsen + 100 BP 2002 2007 2012 2017 2022 2027 Häuserpreis-Index » Eine Preisblase besteht zwar nicht, dennoch stellt die Zinswende eine ernste Bewährungsprobe dar. « Martin Güth, Immobilienanalyst LBBW 212 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | HÄUS ERMARKT

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