Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

tatsächlich handeln, und können beispiels- weise belegen, dass die geografische Her- kunft eines Investors stark mit dessen spezifischen CSR-Präferenzen zusammen- hängt.“ Bevor sie zu diesem Schluss kam, wer- tete die Autorin Daten von Proxy Insight zu weltweiten Abstimmungsergebnissen von 2016 bis 2021 aus. Sie kommt damit auf 18.645 Anträge, die unter anderem von 133 institutionellen Investoren, den großen Proxy-Beratern Glass Lewis, ISS und ISS SRI sowie mächtigen passiven Investoren wie BlackRock, State Street oder Vanguard eingereicht wurden. Von diesen Anträgen beziehen sich 2.475 auf CSR-Thematiken, die große Mehrheit, 16.170, hat mit Wahlen gegen Board oder Aufsichtsrat zu tun, die sich aus rein wirt- schaftlichen Gründen gegen die Unter- nehmensspitze wenden. Aus diesen beiden Datensätzen entwickelt Lafarre eine zweidimensionale Ebene, aus der sich ablesen lässt, welche Aktionen die Anteilseigner gesetzt haben be- ziehungsweise wie CSR-lastig sie agiert haben. Die horizontale Achse spiegelt dabei die tatsächliche CSR- Affinität im Intervall [–1/+1] wider, wobei „–1“ die höchste CSR-Sensi- bilität darstellt. Auf der vertikalen Achse finden sich die Votings gegen den Aufsichtsrat aus ökonomischer Sicht wieder. „–1“ bedeutet, dass der Aktionär in der Regel besonders ma- nagementfreundlich gestimmt hat. Außerdem fasst Lafarre die Asset Manager nach Investmentstil zusam- men und sortiert nach geografischen Gesichtspunkten – also wo der be- treffende Anteilhalter domiziliert ist. Wahlprognosen Mit dieser Methodik kommt sie auf ein ganz gutes Stimmungsbild, was das tatsächliche CSR-Verhalten von Asset Managern, institutionellen Investoren und Proxy-Beratern be- trifft (siehe Grafik „CSR als euro- päische Domäne“) . Demnach befin- den sich deutlich mehr Investoren als Asset Manager in der linken Hälfte der Ebene, wo sich die Akteure mit starker CSR-Lastigkeit tummeln. Geografisch aufgeschlüsselt findet man in der linken Hälfte deutlich mehr Europäer als US-Amerikaner. Inter- essanterweise befinden sich aber auch deutlich mehr Manager im rechten oberen Segment der Ebene – also dort, wo man besonders kritisch mit dem Management umgeht, dies aber nicht aus CSR-Gründen tut. Ganz klar ist dieser Zusammenhang nicht, weshalb „die Interpretation der zwei- ten Dimension (Anm.: also der vertikalen Achse) noch weiterer Forschung bedarf, die ideologischen Ergebnisse zur ersten CSR- Achse bleiben aber robust“, wie Lafarre meint. Die Wissenschaftlerin hat ihre Methode auch an einem praktischen Case getestet – und zwar bei der Hauptversammlung des Mineralölkonzerns Shell im Jahr 2021. Aktivisten hatten ein radikales Klimaschutz- programm unter dem Titel „Follow This“ vorgelegt. Die Konzernführung hatte hinge- gen ein weniger ambitioniertes Pro- gramm präsentiert. Die grafische Prognose (siehe Chart „Nicht ganz radikal“) zeigt links der Bruchlinie die Investoren an, die sich gegen das Management entscheiden hätten sollen – also für „Follow This“ und gegen den im Vergleich dazu weni- ger radikalen Shell-Vorschlag. Sein und Schein Die Prognosen gingen von einem klaren Sieg des Managements aus. In der Realität fiel er aber noch deut- licher aus, da zwölf Investoren, die laut ihrer Ideologie gegen das Ma- nagement hätten stimmen müssen, sich im gegenständlichen Ernstfall dann doch für das Management entschieden haben. Auf der anderen Seite haben nur fünf Investoren, die sich für das Management entschei- den hätten sollen, schlussendlich gegen den Vorschlag der Geschäfts- führung gestimmt. Zumindest anekdotisch zeigt das Ergebnis ähnlich dem Ethos-Vor- schlag bei der CS-Hauptversamm- lung, „dass zumindest manche insti- tutionelle Investoren dazu neigen, in Fragen des Klimaschutzes das Management zu unterstützen und für einen weniger ambitionierten Kli- maplan zu stimmen“, wie Lafarre resümiert. HANS WEITMAYR » Es scheint, als würden manche Investoren auf Hauptversammlungen für weniger ambitionierte Klimaziele stimmen. « Anne Lafarre, Assistant Professor an der Tilburg University Nicht ganz radikal Analyse Klimavorschlag aktivistischer Aktionäre vs. Shell-Vorschlag Die beiden Ebenen zeigen die Prognosen des Abstimmungsverhaltens auf der Shell-HV von 2021 auf. Die blaue Linie bildet die Grenze zwischen Managementkritik (links der Linie) und Zustimmung. Quelle: Tilburg/Lafarre -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 „Follow This“ – aktivistischer Klimaschutzvorschlag Shells eigenes Klimaschutzprogramm CSR-Fokus CSR-Fokus Niederlande UK USA Europa Sonstige Niederlande UK USA Europa Sonstige Nähe zum Management Nähe zum Management 200 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | ENGAGEMENT

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