Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Drängen auf die Koppelung von ESG-Zie- len an die Topgehälter oder gar bei einer Abstimmung gegen die Bestellung von Auf- sichtsratspositionen aus. Eine Frage des Ethos Das klingt alles sehr aktiv, in der Praxis liegen die Absichten der Investoren aber nicht immer so glasklar auf der Hand – wie gerade der Fall Credit Suisse zeigt. Denn ein durchaus vertretbarer Antrag, der von einer Investorenallianz rund um die Schweizer Ethos Stiftung auf der Credit-Suisse-Haupt- versammlung eingebracht worden ist, wur- de von den restlichen Investoren abgelehnt. Beantragt hatten die Aktivisten – nachdem aus ihrer Sicht die zuvor geführten Gesprä- che keine ausreichenden Resultate geliefert hatten – eine Sonderprüfung zu zwei Punk- ten: erstens die „SCFF-Angelegenheit“, also das Debakel rund um die Investments in den Lieferkettenfonds von Greensill Capital. Und zweitens wurde Auf- klärung über die altbekannte „Swiss- Leaks-Angelegenheit“ eingefordert. Der Antrag wurde mit 88,55 Prozent der vertretenen Stimmen abgelehnt. Nur nicht zu weit gehen Zudem hat die Ethos Stiftung zu- sammen mit ShareAction und im Namen von elf institutionellen Anle- gern einen Antrag bezüglich der Kli- maschutzstrategie der Credit Suisse und ihrer Offenlegungen zum Kli- mawandel mit spezieller Fokussie- rung auf Ausrichtung, Offenlegung und Berichterstattung in Bezug auf den Öl-, Gas- und Kohlesektor ein- gereicht. Der Antrag schlug eine Änderung der Statuten der Credit Suisse durch die Einführung eines neuen Artikels vor. Er wurde mit 77,21 Prozent der vertretenen Stim- men abgelehnt. Während also eine Entlastung aus finanziellen Gründen von einem Großteil der Investoren und Anleger abgelehnt wurde, kam ein Antrag, der auf der Umsetzung von CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG beruhte, nicht durch. Ein Einzelfall – oder sind Investoren beim Thema CSR doch nicht ganz so strikt, wie oftmals propagiert und in Umfragen wie der von PwC auch gern angegeben wird? Genau diese Frage hat Anne Lafarre von der Tilburg University in ihrem Diskussions- papier „Do Institutional Investors Vote Re- sponsibly?“ gestellt. Sie geht bei der Beant- wortung dieser Frage disziplinübergreifend vor und bedient sich des aus der Politikwis- schenschaft stammenden W-NOMINATE- Modells. Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des in den frühen 1980er-Jahren von Keith Poole und Howard Rosenthal entwickelten NOMINATE-An- satzes, der ursprünglich dafür entwickelt wurde, den Wahlprozess innerhalb des US- Kongresses zu analysieren. Das Abstimmungsverhalten eines Parla- mentariers wird dabei in der Regel in einer zweidimensionalen Ebene dargestellt, die auf beiden Achsen vom Intervall [–1, +1] begrenzt wird. Ist beispielsweise ein Abgeordneter der Demokraten sehr weit links, könnte man ihn auf der horizontalen Achse nahe bei „–1“ einordnen. Auf der zweiten Achse könnte man etwa seine bisherige Einstellung zu Abtreibungsfragen eintragen. Hat der Abgeordnete häu- fig für Gesetze gestimmt, die von der Ideologie her auf eine Pro-Abtrei- bungs-Tendenz hinweisen, könnte man ihn auf der horizontalen Achse relativ nahe bei „+1“ abbilden. Her- aus käme ein Punkt auf einer Ma- trix, der sein wahrscheinliches Ab- stimmungsverhalten beziehungswei- se seine faktische Ideologie jenseits aller Lippenbekenntnisse darstellt. Anwendung auf HV „Unserer Kenntnis nach sind wir die Ersten, die das W-NOMINATE- Modell in einem internationalen Kontext in Bezug auf CSR und das Abstimmungsverhalten von institu- tionellen Investoren auf Hauptver- sammlungen anwenden. Wir dedu- zieren anhand der Abstimmungs- daten auf Hauptversammlungen die CSR-Präferenzen institutioneller Investoren“, erklärt Studienautorin Anne Lafarre. „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich auf, wie sozial ver- antwortlich institutionelle Investoren » Es gibt keinen Grund, wieso jemand wie er vernünftigerweise in seiner Rolle bleiben sollte. « David Samra, Manager Artisan Partners, über Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein CSR als europäische Domäne Die beiden Ebenen lassen sich vereinfacht folgendermaßen interpretieren: je weiter links, desto CSR-bewusster, je weiter unten, desto management- freundlicher. Quelle: Tilburg/Lafarre -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 BlackRock BlackRock SRI State Street Vanguard Glass Lewis ISS ISS SRI CSR-Fokus Zweidimensionales Modell (Investorentyp) Zweidimensionales Modell (Domizil) CSR-Fokus Berater Asset Manager Eigentümer Niederlande UK USA Europa Sonstige 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 Nähe zum Management Nähe zum Management 198 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | ENGAGEMENT

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