Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

D ie Hauptversammlung der Credit Suisse im Frühjahr 2022 war ein ziemliches Spektakel: Erzürnte Aktivis- ten machten angesichts einer Anhäufung von Skandalen und ethisch mutmaßlich anfechtbaren Investmentaktivitäten vor der Konzernzentrale mobil (Bild rechts) – was das Management wahrscheinlich gar nicht so sehr aus der Bahn ge- worfen hätte. Denn dort ist man Aktio- nen dieser Art gewöhnt, hatte doch vor einigen Jahren der WWF die General- versammlung de facto gekapert und im Sitzungssaal ein Transparent mit der Aufschrift „Stop dirty pipeline deals“ angebracht. Deutlich schwerer auf den Magen geschlagen haben dürfte der Geschäftsführung also, dass fast 60 Prozent der Aktionäre die Entlastung des Vorstands verweigerten. Gemeinsame Strategie Sie folgten damit der Empfehlung der einflussreichen Stimmrechtsberater Insti- tutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis. ISS wies auf eine Reihe von Risiko- und Kontrollproblemen hin, die mit erheblichen finanziellen und Re- putationskosten für die Bank und damit auch für ihre Aktionäre verbunden seien. Zu Redaktionsschluss stand dann auch noch der Job von Konzernchef Thomas Gottstein unter Beschuss. Credit-Suisse- Großaktionär Artisan Partners, der laut Refinitiv rund 1,5 Prozent hält, forderte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann auf, einen Nachfolger für Gottstein zu suchen. Unter seiner Führung sei es bei der Schweizer Großbank nicht gut gelau- fen, sagte Fondsmanager David Samra der Nachrichtenagentur Reuters. „Es gibt keinen Grund, wieso jemand wie er vernünftigerweise in seiner Rolle blei- ben sollte.“ Damit folgt Artisan einem Trend, den die Berater von Pricewater- houseCoopers (PwC) in einer Umfrage unter 325 institutionellen Investoren welt- weit zum Jahreswechsel festgemacht haben. In der Erhebung, die unter dem Titel „The economic realities of ESG“ publiziert wur- de, konstatieren die Consulter, dass „Inves- toren zur Tat schreiten, wenn ein Unterneh- men in Sachen ESG nicht genug unter- nimmt“ (siehe Grafik „Investoren beabsich- tigen, sich stärker zu engagieren“) . Bezo- gen auf die Umstände bei Credit Suisse, entspricht das Verhalten der Aktionäre inso- Die Turbulenzen auf der Credit-Suisse-(CS)-Hauptversammlung haben Schlagzeilen gemacht. Doch wie viel Druck üben Stimmrechtsvertreter in Sachen Corporate Social Responsibility (CSR) wirklich aus? Eine Studie und die CS-Hauptversammlung selbst wecken Zweifel an der tatsächlichen Entschlossenheit. Mit mittelharten Bandagen Eine Landkarte des Aktivismus Hauptversammlungsanträge in den Niederlanden, dem UK und den USA von 2016 bis 2021 Anzahl der … davon durch Kategorie des Vorschlags Unterkategorie Vorschläge … Aktionäre CSR-Anträge Umwelt Tierschutz 14 14 Klima & Energie 625 592 Entwaldung/Versteppung 14 14 Verpackung/Plastik 22 22 Wasser 18 18 Sonstige 78 78 CSR-Anträge Social Diversität 149 148 Gesundheit 56 56 Menschenrechte & Ethik 147 145 Arbeitsrecht 73 73 Rassismus/Diskriminierung 19 19 Sexuelle Übergriffe 18 18 Sonstiges 35 35 CSR-Anträge generell Reporting 102 3 Sonstiges 22 18 Aufsichtsrats- bzw. Board-Wahl AEX 25 26 – mit CSR-Motiv FTSE 100 179 – S&P 500 878 4 Aufsichtsrats- bzw. Board-Wahl AEX 25 178 – allgemein FTSE 100 2,834 – S&P 500 13.158 – CSR-Anträge 1.392 1.253 Aufsichtsrats- bzw. Board-Wahl mit CSR-Motivation 1.083 4 Alle CSR-Initiativen 2.475 1.257 Aufsichtsrats- bzw. Board-Wahl allgemein 16.170 – Gesamt 18.645 1.257 Mit der Untersuchung von mehr als 18.000 Hauptversammlungsanträgen hat die Tilburg-Professorin Anne Lafarre versucht, das Abstimmungsverhalten von Aktionären in CSR-Fragen auszuwerten und eine Art ideologische Landkarte von institutionellen Investoren weltweit zu erstellen. Quelle: Tilburg/Lafarre 196 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | ENGAGEMENT FOTO: © PASCAL MORA | © 2022 BLOOMBERG FINANCE LP

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