Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Energieaktien in einem stagflationären Um- feld tendenziell überdurchschnittlich. Das ist insofern verständlich, als sich die Umsät- ze der Energieunternehmen mit den Ener- giepreisen im Gleichklang bewegen. Letzte- re sind eine wichtige Inflationskomponente, was sich aktuell eindrucksvoll bestätigt. Schlusslichter sind in der Stagflation die Sektoren IT, Kommunikationsdienste, Industrie und Finanzen. Regionale Betrachtung Sieht man sich nur die aktuellen Sektorgewichtungen der Länderindizes an, scheinen Großbritannien und Europa in einem Stagflationsszenario den größ- ten Schutz zu bieten, meinen die Experten von Schroders. Beispielsweise besteht der MSCI UK Index zu rund 50 Prozent aus Energiewerten und defensiven Aktien, wäh- rend der entsprechende Anteil für Europa 36 Prozent beträgt (siehe Grafik „Großbri- tannien liegt bei defensiven Titeln vorn“) . Hingegen sind die USA und Japan in Sek- toren, von denen eine Underperformance zu erwarten wäre – etwa IT und Nicht-Basis- konsumgüter –, deutlich übergewichtet. Das UK steht jedoch nur für vier Prozent der globalen Aktienmarktkapitalisierung, sodass eine leichte Übergewichtung möglicher- weise nicht ausreicht, um die Abwärtsrisi- ken zu minimieren. Andererseits ist Europa ein größerer investierbarer Markt mit elf Prozent Gewichtung im globalen Index und biete daher möglicherweise mehr Spielraum für die Umsetzung dieser taktischen Sichtweise. Auch ließe sich eine solche Sektorumgewichtung durch spezielle Branchen-ETFs taktisch herstellen be- ziehungsweise durch Long- und Short- Positionen in Branchen-ETFs in Form eines Overlays umsetzen. Geeignete Asset Allocation Ausgiebig mit Stagflationsszenarien beschäftigt hat sich auch Irene Goh, Head of Multi-Asset Solutions – Asia Pacific bei abrdn. Auch aus ihrer Sicht ist die Wahrscheinlichkeit eines Stag- flationsszenarios in den letzten Monaten deutlich gestiegen: „Eine derartige Marktentwicklung würde Wirtschafts- wachstum und Konsumausgaben brem- sen, die Unternehmensrentabilität be- lasten, Marktmultiplikatoren verringern, schwächere Geschäftsmodelle herausfor- dern und die Zentralbanken zu einer restrik- tiveren Haltung zwingen.“ Die Stagflation setze somit Anlagen mit langer Duration unter Druck, wohingegen Rohstoffe, Fi- nanzwerte und alternative Anlagen profi- tieren könnten. Seit Jahresanfang hat man bei abrdn das Exposure in US-Finanzwerte, die von steigenden Zinsen profitieren wer- den, und in rohstoffsensiblen Vermögens- werten wie Gold, Energie und Industrieme- talle erhöht, um das Portfolio vor steigenden geopolitischen Spannungen und einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu schützen. Die Angebotsseite werde auf die steigende Inflation wahr- scheinlich mit höheren Infrastrukturinvesti- tionen und einer Fokussierung auf nachhal- tige Energie reagieren, so Irene Goh weiter. „Wir halten beispielsweise PPP-Investments (Private Public Partnership) und Infra- strukturanlagen im Bereich erneuerbare Energien für attraktiv. Die zugrunde liegen- den Einnahmen sind in der Regel an die Inflation gekoppelt, während die Nachfrage weniger direkt auf das wirtschaftliche Um- feld reagiert. Wir haben auch in Logistik- immobilien investiert, die neben einem Inflationsschutz auch vom langfristigen the- matischen Trend des E-Commerce-Wachs- tums profitieren.“ Wie es aussieht, ist es hoch an der Zeit, sich für die Stagflation zu rüsten. Der fort- gesetzte Rückgang der einst in den Himmel gehobenen Wachstumstitel ist sichtbarer Ausdruck der Umkehr. Institutionelle haben einen gewissen Anteil ihrer Portfolios durch inflationsindexierte Assets wie Inflation- Linked Bonds, Immobilien, Private Debt und Infrastrukturinvestments – hier vor allem in erneuerbare Energien – in die rich- tige Richtung gebracht. Den Weg heißt es jetzt wohl konsequent weiterzugehen, selbst wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Politik ihnen in einzelnen EU-Mit- gliedsstaaten einen Strich durch die Rech- nung macht – Schlagworte sind hier etwa die Abschöpfung von Windfall Profits und das Aussetzen von Erhöhungen der Woh- nungsmieten. DR. KURT BECKER » Wir halten beispielsweise PPP- Investments und Infrastrukturanlagen im Bereich Energie für attraktiv. « Irene Goh, Head of Multi-Asset Solutions – Asia Pacific bei abrdn Großbritannien liegt bei defensiven Titeln vorn Die Zusammensetzung des FTSE 100 Index verschafft dem britischen Aktienbarometer aktuell Vorteile. Großbritanniens Sektorgewichtung scheint den größten Schutz vor Stagflationsszenarien darzustellen, gefolgt von Europa. Die Schwellenländer bilden hier bei der Betrachtung der Regionen das Schlusslicht. Quelle: Schroders 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % EM Japan Europa (ohne GB) GB USA Immobilien Versorger Basiskonsumgüter Gesundheitswesen Energie Sektorgewichtung in Prozent 182 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | S TAGF LAT I ON FOTO: © ABRDN

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