Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

statistisch belastbare Verzerrungen, so wäre das ein Hinweis auf eine abergläubische Tendenz bei der Preisbildung. Chinas IPO-Markt Als nahezu idealtypisches Versuchslabor präsentiert sich aus Sicht der Verfasserb der chinesische IPO-Markt. Dieser war bis 2014 solcherart ausgestaltet, dass der IPO- Preis über ein Auktionsverfahren ermittelt wurde. Angebot und Nachfrage mussten sich also bei einem gewissen Preis treffen. Ab Juli 2014 trat eine Reform in Kraft, in deren Rahmen die Preisgestaltung stark von diversen Kennzahlen bestimmt und „der Verhandlungsspielraum zwischen Emittent und Interessent in den meisten Fällen so gut wie ausgeschaltet wurde“. Wertet man bei den erzielten IPO-Preisen nun die durchschnittliche Häufigkeit der Ziffern an den Hundertstelstellen aus (siehe Grafikelement „Auffällige statistische Ab- weichungen bei ‚4‘ und ‚8‘“) , so treten im ersten Abschnitt des Beobachtungszeit- raums von Januar 2006 bis Juli 2014 starke statistische Anomalien auf: Die Glückszahl Acht kommt in 33,2 Prozent der Fälle vor, der Unglücksbote Vier in gerade einmal 4,63 Prozent. Mit dem Aufkommen des neuen IPO-Regimes ändert sich die Vertei- lung schlagartig. Alle Ziffern kommen der zu erwartenden Wahrscheinlichkeit von rund elf Prozent ziemlich nah, auch die gra- fische Darstellung zeigt das Zusammenlau- fen der Wahrscheinlichkeiten deutlich. Doch zieht dieses Phänomen auch Konsequenzen für die Investoren nach sich? Um das zu eruieren, haben die Autoren unter Berück- sichtigung diverser Kontrollvariablen – bei- spielsweise Unternehmensgröße, Eigentü- merstruktur oder Buchwert – die Perfor- mance von IPO-Unternehmen für den Zeit- raum von drei Jahren nach der Erstnotiz un- tersucht. Die entsprechenden Regressionen haben ergeben, dass Unternehmen, deren IPO-Preis mit der Glückszahl Acht endete, in den folgenden drei Jahren gegenüber Unternehmen mit nicht präjudizierten IPO- Preisen einen „monatlichen Minderertrag von 0,47 Prozent pro Monat erzielten. Das bedeutet, „dass die Kosten für Inves- toren, die in ‚Glücksaktien‘ investieren, jährlich bei beträchtlichen 5,6 Prozent lie- gen“, wie Chang erklärt. Umgekehrt erzie- len IPOs mit der Preisendziffer Vier einen „marginal positiven Sonderertrag“, so der Ökonom weiter. Dieses Resultat bestätigt die These, wonach Aberglaube bei Glücks- omina den Optimismus von Marktteil- nehmern übersteigert und es zu einer fak- tisch nicht belegbaren Überbewertung von Aktien kommen kann. Allerdings nehmen diese Effekte mit dem Professionalisierungsgrad der Marktteilneh- mer ab. Das sieht man anhand des Sekun- därmarktes, der sich – ein weiteres lokales Phänomen – aus regulatorischen Gründen im Private-Equity-Segment zuträgt. Dieses ist für Privatanleger deutlich schwerer zugänglich – das Resultat: Es kommt zwar zu leichten Verschiebungen zugunsten der Acht, der Effekt ist jedoch statistisch insignifikant. Für Investoren interessant ist natürlich, ob sich dieses Muster auch am breiten Sekun- därmarkt exklusive IPO-Sondereffekt bestä- tigt. Hierfür habe sich die Autoren die Ent- wicklung an der Shanghai Exchange ange- sehen. Dort gab es im Jahr 2018 eine Ände- rung bei der Ermittlung des Schlusspreises. Dieser wurde bis dahin aus dem Durch- schnitt der Schlussgebote der letzten Han- delsminute ermittelt. Der Eröffnungskurs kam hingegen durch ein schlichtes Auk- tionsergebnis zustande. Ab August 2018 wurde die Findung des Schlusskurses an die » ›Unsicherheit‹ darf man nicht mit ›Risiko‹ verwechseln. Letzteres lässt sich mathematisch erfassen, Ersteres nicht. « Huancheng Du, Central University of Finance and Economics, Peking Kurzfristig Glück gehabt Eine Long-Short-Strategie, die auf Aberglaube-Faktoren setzt, ist einen Monat lang ertragreich, anschließend löst sich die Zusatzrendite in Luft auf. Kreiert wird ein Long-Short-Faktorportfolio in Chinas sekundärem Aktienmarkt. Aktien, deren Eröffnungs- und Schlusskurse in der Hundertstelstelle am häufigsten die „8“ aufweisen, werden long gehandelt, die „4“ wird geshortet. Mit dieser Strategie erreicht man im ersten Monat eine Überrendite von 0,478 Prozent – diese verflüchtigt sich jedoch innert der nächsten drei Monate. Das spricht für eine von Aberglauben getriebene Über- beziehungsweise Unterbewertung von Aktien, die die beschriebenen Charakteristika aufweisen. Quelle: Studie -0,1 % 0,0 % 0,1 % 0,2 % 0,3 % 0,4 % 0,5 % 0,6 % 4 3 2 1 0 Halteperiode Prozent Kumulative abnormale Rendite Call Auction (in %) Placebo (in %) Small Large Small Large (1) (2) (3) (4) Alpha 0,478*** 0,264 0,239 -0,370 (3,53) (1,58) (1,62) (-1,10) Risk Premium 2,565 7,459** 1,654 1,781 (1,35) (2,18) (0,83) (0,41) SMB 5,273 14,999*** -1,318 7,378 (1,55) (3,60) (-0,39) (1,33) HML 18,140*** 32,753*** 4,218 11,725 (2,87) (4,88) (0,89) (0,96) Sharpe Ratio 1,00 0,49 0,44 -0,25 Obs. 182 182 145 145 168 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PSYCHOLOG I E

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