Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

I n Zeiten, da geopolitische Span- nungen auf einen Finanzmarkt überschwappen können, der laut Jinfan Chang von der Chinese University of Hong Kong „Anfang 2021 aus 4.140 Firnen mit einer Kapi- talisierung von knapp 80 Billionen Yuan oder rund 12 Billionen US-Dollar besteht“, wird ein tieferes Verständnis ebendieses Marktes zunehmend wich- tig. Das Geschehen in der Volksrepublik zu verstehen, ist aber nicht ganz unkompli- ziert. Unterschiedliche Segmente für natio- nale und internationale Anleger beeinflus- sen die Preisfindung, und diverse Studien haben nachgewiesen, dass das spekulative Element in China mitunter deutlich stärker ausgeprägt ist als an den Aktienmärkten westlicher Industrienationen. Hinzu kom- men die erwähnten sicherheitspolitischen Bedenken und die Implikationen von Chi- nas Zero-Covid-Politik, die von den Inves- toren als potenzielle Marktrisiken einge- ordnet werden müssen. In dieser Gemen- gelage kommt eine Arbeit, die Chang ge- meinsam mit Huancheng Du von der Cen- tral University of Finance and Economics in Peking verfasst hat, zur rechten Zeit. Referenzpunkt Aberglaube Unter dem gut einprägsamen Titel „Superstition Everywhere“ untersuchen die Autoren den numerologischen Aspekt und Einfluss von Aberglauben, der sich darin ausdrückt, dass die Acht als Glücks-, die Vier wiederum als Unglückszahl wahrge- nommen wird. Erstere steht unter anderem für Langlebigkeit, während Zweitere phone- tisch dem Vokabel für „Tod“ ähnelt. Tat- sächlich ist diese Interpretation bemerkens- wert stark in der Gesellschaft der Volks- republik verankert. Die Olympischen Spiele in Peking begannen nicht zufällig um 8.08 Uhr am 8. 8. des Jahres 2008. Auf der an- deren Seite gibt es laut Chang „zahlreiche Apartmentgebäude, bei denen in der Num- merierung der Stockwerke die Vier ausge- lassen wird“. Die Autoren stellen nun die Frage, ob sich diese Art von numerologischem Aberglau- ben auch an den Finanzmärkten nieder- schlägt. Aus mehreren behavioristischen Gründen gehen sie davon aus, dass dem so sein müsste. Sie leiten diese Annahme aus In Zeiten hoher Unsicherheit ist es für Marktteilnehmer schwierig, die Orientierung zu behalten. Am Fallbeispiel China lässt sich nachvollziehen, wie numerologischer Aberglaube in solchen Perioden als alternativer Referenzpunkt herangezogen wird und für Marktungleichgewichte sorgt. Auffällige statistische Abweichungen bei „4“ und „8“ Bis zu einer Änderung des Offertsystems in Chinas IPO-Markt im Juli 2014 kamen die IPO-Preise rein durch Angebot und Nachfrage der Marktteilnehmer zustande. Untersucht wurde die Häufigkeit, mit der die chinesische Unglückszahl „4“ und die Glückszahl „8“ in der Hundertstelstelle eines IPO-Preises vorkommen. Bis Juli 2014 entstanden die Preise durch ein Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Wären die IPO-Preise rein fundamental getrieben, müssten die neun möglichen Ziffern einer Hundertstelstelle (Anm.: bei Null wird die letzte Stelle gestrichen) mit annähernd der gleichen Häufigkeit von 11,11 Prozent auftauchen. Dies war offensichtlich nicht der Fall. Quelle: Studie 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % I20I19I18I17I16I15I14 HJ2 I14 HJ1 I12I11I10I09I08I07I06I Zahl 8 Zahl 4 Frequenz » Bei starker Unsicherheit wird unter Umständen Aberglaube als alternativer Referenzpunkt herangezogen. « Jinfan Chang, Chinese University of Hong Kong Nur keine Vier 1. 1. 1995 – 30. 6. 2014 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Total N 57 77 77 48 133 128 55 344 117 1.036 % 5,50 7,43 7,43 4,63 12,84 12,36 5,31 33,20 11,29 100 T-Stat -7,91 -4,51 -4,51 -9,91 1,66 1,22 -8,33 15,09 0,19 1. 7. 2014 – 31. 3. 2021 N 129 141 149 150 134 146 156 140 137 1.282 % 10,06 11,00 11,62 11,70 10,45 11,39 12,17 10,92 10,69 100 T-Stat -1,25 -0,13 0,57 0,66 -0,77 0,31 1,16 -0,22 -0,49 166 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | PSYCHOLOG I E FOTO: © CHINESE UNIVERSITY OF HONG KONG, SERPEBLU | STOCK.ADOBE.COM

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