Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

E ines der Hauptargumente der Verfechter von künstlicher In- telligenz lautet dahingehend, dass diese in Hausse-Zeiten nicht zu Euphorie und in Krisenzeiten nicht zu Panik neigt. Übertreibungen in die eine oder andere Richtung werden damit vermieden. Dieses Argument ist – unter der Voraussetzung, dass menschliche Manager tatsächlich keinen Zugriff auf die KI haben – gerade in Krisenzeiten wie den gegenwärtigen nachvollziehbar und ver- lockend. Allerdings stellt sich die Frage, ob man als Investor dann nicht gleich ein er- probtes regelbasiertes System oder einfach eine schlichte Buy-and-Hold-Strategie an- wendet. Das gilt umso mehr, als aktuelle Erkenntnisse zum Thema (siehe Artikel „KI gegen den Rest der Welt“, Institutional Money 1/22) nahelegen, dass quantitative Strategien bislang lukrativer sind als KI- Strategien. Das liegt vor allem am günsti- geren Tradingverhalten. Die KI-Ansätze sind in der Regel aktiver als ihre quantita- tiven Cousins, entsprechend hoch sind die Transaktionskosten. Emotionale KI Doch was, wenn die KI darauf trainiert werden könnte, Emotio- nen nicht einfach nur zu ignorie- ren, sondern behavioristische Anomalien als Muster zu erken- nen und entsprechend aktiv auf diese einzugehen? Sangheum Cho, Suk-Joon Byun, beide vom Korea Advanced Institute of Science and Technology, haben gemeinsam mit Da-Hae Kim von der Sungkyunkwan University Business School genau diese Fra- ge untersucht. In ihrer Arbeit „Can a Machine Learn from Behavioral Biases? Evidence from Stock Return Predictability of Deep Learning Models“ verwenden die Forscher einen Machine-Learning-Ansatz, der her- kömmliche lineare Faktormodelle mit der Nonlinearität von Autoencodern kombiniert. Bei Letzteren handelt es sich um künstliche neuronale Netze, die dazu genutzt werden, effiziente Kodierungen zu erlernen (siehe Grafiken „Linearer KI-Autoencoder“ und „Nonlinearer KI-Autoencoder nach Gu et al.“) . Dieses Modell wurde 2019 von Shihao Gu, Bryan Kell und Dacheng Xiu entwickelt, die in ihrer für die Chicago Booth School erschienenen Arbeit „Autoen- coder Asset Pricing Models“ lineare KI- Modelle im Asset Management weiterent- wickelt haben. Zur Erklärung: Im linearen Modell fließen auf einer ersten Ebene die Daten ein. Diese sind quasi noch aufge- bläht, beinhalten Rauschen, Fehlsignale etc. Über eine variable Zahl von „Hidden Layers“ werden die Daten verbessert, das Rauschen wird reduziert, und schließlich in raffinierterer Form wieder auf der dritten Ebene ausgegeben. Die Qualität der KI per se ergibt sich aus den Algorithmen, die in den Hidden Layers – auch „Bottleneck“ genannt – stecken. Diese Art von Modell ist aber laut Gu et al. angesichts der „jüngeren Asset-Price-Theorie, die die linea- re Interpretation von Anomalien infrage stellt“, nicht mehr zeit- gemäß. Zwar können lineare Mo- delle eine nichtlineare Welt bis zu einem gewissen Grad nachbilden, ein nichtlinearer Ansatz würde die Ergebnisse aber deutlich ver- bessern. Konsequenterweise haben Gu et al. ein nonlineares Modell ent- wickelt, das über zwei Stränge läuft, die sie Beta und Factor nen- nen ( siehe „Nonlinearer KI-Auto- encoder nach Gu et al.“) . Die Faktorseite funktioniert wie die herkömmlichen linearen Modelle. Irrationaler Optimismus oder irrationale Panik – keines dieser Marktphänomene kann durch rein quantitative Ansätze erfasst werden. Dasselbe galt bislang für künstliche Intelligenz. Ein koreanisches Team hat jedoch eine Strategie entwickelt, die der KI offenbar beibringt, Emotionen zu verstehen. Linearer KI-Autoencoder Herkömmliche Datenverarbeitung durch KI Lineare Autoencoder nehmen im Input Layer die Originaldaten mit allen Unschärfen beziehungsweise „Noise“ auf. Über eine variable Anzahl von Hidden Layers, auch „Bottleneck“ genannt, werden diese Daten komprimiert, „Noise“ wird also herausgefiltert, im Output Layer werden schlussendlich die gewünschten latenten Faktoren dargestellt. Quelle: Gu et al. ... ... ... Hidden Layer(s) Input Layer Output Layer Encoder Decoder » Die jüngere Asset-Price-Theorie stellt lineare Erklärungsversuche von Marktanomalien infrage. « Shihao Gu, University of Chicago Booth School of Business Die Menschen flüsterer 160 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | KÜNS T L I CHE I NT E L L I GENZ FOTO: © STUDIOSTOKS | STOCK.ADOBE.COM

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