Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

A kademische Studien stoßen immer wieder auf Phäno- mene, die auf Renditeano- malien hinweisen. In einem effizienten Markt müssten solche Ge- winnmöglichkeiten dann eigentlich rasch verschwinden, weil sie von einer wachsenden Zahl von Akteuren ausge- nutzt werden. Und eine im Jahr 2015 publizierte Studie mit dem Titel „Does Academic Research Destroy Stock Re- turn Predictability?“ scheint dies auch zu bestätigen. Die Forscher untersuch- ten damals 97 Faktoren beziehungswei- se Variablen aus 80 Studien, die einen Erklärungsgehalt für Querschnittsrenditen am Markt aufwiesen. Sie replizierten zunächst die In-Sample-Renditen der je- weiligen Studie in deren Originaluntersu- chungszeitraum und ermittelten, welche Ergebnisse dann Out of Sample erzielt wurden, unterschieden in Post-Sample-Pe- riode (Ende des In-Sample-Zeit- raums bis zum Veröffentlichungs- datum) sowie die Zeit nach der Veröffentlichung. Die einzelnen Variablen wurden dabei anhand marktneutraler Long-Short-Portfo- lios (Top/Flop-Quintile) betrachtet. Rückgang der Renditen Das Ergebnis sah so aus, dass die Prognosekraft nennenswert zurück- ging. Im Durchschnitt lagen die Renditen der Variablen in der Post- Sample-Periode um 26 Prozent niedriger als In Sample, was auf statistische Ungenauigkeiten bezie- hungsweise Data Mining hinweist. Und nachdem die jeweiligen Studi- en veröffentlicht wurden, lagen die Renditen im Mittel um 58 Prozent niedriger als In Sample. Damit lie- ßen sich abzüglich der statistischen Effekte mindestens 32 Prozent des Rendite- verfalls auf die Veröffentlichungen zurück- führen. Die Autoren vermuteten, dass dieser Anteil die Untergrenze darstellt, da wahr- scheinlich bereits in der In-Sample-Periode einige Kapitalmarktprofis von den laufen- den Untersuchungen wissen. Jedenfalls ließen die Forscher keinen Zweifel daran, dass die in den Studien ge- fundenen Effekte in der Praxis systematisch ausgenutzt werden. Das zeigte sich auch daran, dass Variablen, die In Sample höhere Renditen oder höhere Signifikanzniveaus aufwiesen, eine stärkere Abnahme der da- mit verbundenen Renditen verzeichneten. Und zwar sicherlich deshalb, weil sie für den Praxiseinsatz am vielversprechendsten sind. Das Gleiche galt für Variablen, die sich nur mit Kursen und Handelsdaten dar- stellen (und damit einfacher ausnutzen) las- sen und bei denen die Kosten für Arbitrage geringer sind. Hartnäckige Anomalien Der beschriebenen Studie von David McLean und Jeffrey Pontiff folgten weitere Untersuchungen, die weitgehend im Einklang mit den damaligen Erkenntnissen stan- den, diese zum Teil aber auch er- weiterten. Im Jahr 2018 veröffent- lichten Heiko Jacobs und Sebastian Müller eine umfangreiche Untersu- chung, in der sie 241 Anomalien an 39 Aktienmärkten vor und nach ihrer Veröffentlichung im Zeitraum von 1980 bis 2015 betrachteten („Anomalies Across the Globe“). Eine entscheidende Erkenntnis war hier, dass nur in den USA ein statis- tisch signifikanter und starker Rück- gang der Long/Short-Renditen nach Veröffentlichung zu verzeichnen war, der im Bereich der Ergebnisse Was passiert, wenn Wissenschaftler eine Renditeanomalie entdecken und ihre Erkenntnisse veröffentlichen? Naheliegend wären eine Abschwächung beziehungsweise ein Verschwinden des Effekts, tatsächlich beobachtet man aber ein interessantes Anpassungsphänomen. Systematischer Renditeverfall Zusammenhang aus McLean/Pontiff (2015) Die Grafik zeigt für insgesamt 70 Prognosevariablen, welche In-Sample- Rendite diese im Originalzeitraum der jeweiligen Studie aufwiesen und wie stark sie nach Veröffentlichung abnahmen. Es wird deutlich, dass höhere In-Sample-Renditen mit einem stärkeren Renditeverfall nach Veröffentlichung einhergehen. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht zwischen der Signifikanz der einzelnen Effekte und dem späteren Renditeverfall. Quelle: McLean, R. D. / Pontiff, J. (2015), Does Academic Research Destroy Stock Return Predictability?, S. 34 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 Regression Prognosevariablen Im Untersuchungszeitraum Rückgang nach Veröffentlichung » Das Verhalten von Anomalien im Zeitverlauf hängt auch von ihrer Ausbeutbarkeit ab. « Prof. Dr. Heiko Jacobs, Professor für Finanzierung, Universität Duisburg-Essen Früher Vogel … 146 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | REND I T EANOMAL I EN FOTO: © UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN, GMF

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