Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Ausstieg aus Aktien? Diese Vermutung ist naheliegend, da die Volatilität dann bereits deutlich angestiegen ist. Zwar wurde der Zyklusindikator nicht auf die Vorhersage des Aktienmarktes getestet. Da er aber Rezessionen im Idealfall bis zu 18 Mo- nate im Voraus prognostiziert, wäre es nicht ausgeschlossen, dass diese Zeit auch noch Kursverluste am Finanz- markt beinhaltet. Aktuelle Einschätzungen Welche Schlussfolgerungen ergeben sich, wenn die genannten Theorien auf die jüngste Situation angewandt werden? Mitte April bestätigte Campbell Harvey die Einschätzung, dass nach seiner Definition bisher keine Invertierung vorlag. Angesichts des Kurses der US-Notenbank sei jedoch mit einer deutlichen Abflachung der Zins- struktur vom kurzen Ende her zu rechnen, was die Wirtschaftsdynamik wahrscheinlich verlangsamen werde. Harvey wies auch darauf hin, dass die Zinsen angesichts eines kurzfristigen Realzinses nahe mi- nus acht Prozent extrem stark verzerrt seien und dass die Zinsstruktur ohne die- sen Effekt wohl deutlich invertiert wäre. Am echten Markt war das aber nicht der Fall, sodass offiziell kein Rezessions- alarm seines Indikators vorliegt. Diese Interpretation deckt sich mit dem Near- Term Forward Spread, der schon seit Ende 2021 klar steigend verläuft. Ganz ähnlich sieht es auch Anne Hansen, de- ren Modell zufolge zuletzt die Expansi- onsphase und damit noch keine beson- ders hohe Rezessionswahrscheinlichkeit anzeigt wurde. Angesichts fallender Märkte und der schwierigen globalen Gemengelage mag diese Einschätzung überraschen. Gleich- zeitig könnte die jüngste Invertierung der Differenz zehnjähriger und zweijäh- riger US-Staatsanleihen laut Eric Eng- strom und Steven Sharpe dafür spre- chen, dass die Fed die Zinsen nicht weit über die nächsten sechs Quartale hinaus anheben wird und auch die Inflation dann wieder abebben könnte. Diese Er- klärung würde ohne erhöhte Rezessions- wahrscheinlichkeit auskommen. Damit könnte die Invertierung des alternativen Indikators wie im Jahr 1998 ein Fehl- signal sein. Falls es auf absehbare Zeit trotzdem zu einer US-Rezession kommt, wäre es dagegen das erste ausgebliebene Warnsignal von Harveys klassischem Indi- kator seit Beginn seiner Untersuchungen in den 1970er-Jahren. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Zinsstrukturkurve eine Vielzahl wirtschaft- licher Einflussfaktoren in einem einzigen Indikator zusammenfasst. Das macht sie zu dem aussagekräftigen Indikator, der sie bis- her war. Doch sobald eine Antizipation durch die Marktteilnehmer in Betracht kommt, lässt sich das Ganze beliebig drehen und wenden. Und selbst dann, wenn eine klare Antwort auf die Frage nach der nächsten Rezession gegeben wäre, täten sich weitere Unwägbarkeiten auf: Wann beginnt die Re- zession, wie tief wird sie sein, wie lange an- halten? Und vor allem: Wann fällt der Markt, und was werden die Notenbanken in der Zwischenzeit tun? Fragen wie diese stellen Anleger seit jeher, doch definitive Antwor- ten darauf wird es im Vorhinein an den Märkten niemals geben. DR. MARKO GRÄNITZ Renditedifferenz, VIX und Konjunktur Rezessionen treten auf, wenn die Spreads niedrig sind und der VIX hoch ist. Die Grafik zeigt, dass sich Konjunkturzyklen entgegen dem Uhrzeigersinn durch das Diagramm aus Renditedifferenz und VIX bewegen. Es werden über zwei Jahre geglättete Tagesdaten und die klassische Definition der Renditedifferenz verwendet (10-jährige Notes vs. 3-monatige Bills). Quelle: Hansen, A. L. (2022), Predicting Recessions Using VIX-Yield-Curve Cycles, S. 6 (Update per Januar 2022) -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % 0,0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 35 % Renditedifferenz in Prozent Renditedifferenz in Prozent Renditedifferenz in Prozent Renditedifferenz in Prozent Januar 1990 bis Dezember 1999 Januar 1990 Januar 1992 Januar 1993 Januar 1995 Januar 1996 Januar 1997 Januar 1999 Januar 2000 bis Dezember 2006 Januar 2000 Januar 2001 Januar 2002 Januar 2003 Januar 2005 Januar 2006 Januar 2007 bis Dezember 2019 Januar 2008 Januar 2009 Januar 2011 Januar 2014 Januar 2007 Januar 2018 Januar 2019 Januar 2020 bis Januar 2022 Januar 2020 Januar 2021 Januar 2022 Implizite Volatilität (VIX) Implizite Volatilität (VIX) Implizite Volatilität (VIX) Implizite Volatilität (VIX) » Die Lage im Zyklus von Zinsdifferenz und VIX hilft bei der Prognose von Rezessionen. « Anne Lundgaard Hansen, Federal Reserve Bank of Richmond 144 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | REZE SS I ONS I ND I KATOREN FOTO: © FEDERAL RESERVE BANK OF RICHMOND

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=