Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

nicht einfach durch eine alternative Dif- ferenz ersetzt werden. Zudem müsste eine Invertierung ohnehin auf Quartalsbasis vorliegen. Doch es gibt noch ein anderes sinnvolles Maß. Dieses stellten Eric Engstrom und Steve Sharpe als Differenz aus dem 1,5 Jah- re in der Zukunft liegenden Terminsatz und der aktuellen Rendite von Drei-Monats- Bills in ihrem Paper „The Near-Term For- ward Yield Spread as a Leading Indicator“ vor. Der genannte Terminsatz ist den Auto- ren zufolge besser geeignet als die Rendite zehnjähriger Anleihen, um die Markterwar- tungen an die künftige Geldpolitik zu ermit- teln. Zum einen, weil dieser vom Zeithori- zont besser die für Marktteilnehmer rele- vanten erwarteten Konjunkturschwankun- gen abbildet als die lange Zehnjahresfrist. Und zum anderen, weil die langen Anleihen von anderen Effekten wie etwa Risikoprä- mien beeinflusst werden, die unabhängig von Rezessionsszenarien sind. Insgesamt stellt der Near-Term Forward Spread damit einen weitgehend unverzerrten Indikator dar. Was den klassischen Indikator angeht (10 Jahre vs. 3 Monate), weist Campbell Harvey darauf hin, dass sich der bisher perfekte Track Record nicht unbedingt fortsetzen muss. Schließlich steht dieses Maß heute viel stärker als früher im Fokus der Markt- teilnehmer, sodass sich der Zusammenhang rückkoppelnd auf die eigentliche Entwick- lung auswirken könnte. Bei Vorliegen inver- ser Zinsen könnten einige Unternehmen vorsichtshalber ihre Investitionen reduzieren oder beim Einstellen von neuem Personal bremsen und damit kausal zu einer Verlang- samung der Wirtschaftsdynamik beitragen. Das würde zwar die Aussagekraft des Indi- kators verringern, wäre aber aus Sicht der Wirtschaft durchaus wünschenswert. Denn das Antizipieren einer möglichen künftigen Rezession kann dazu führen, dass diese von vornherein geglättet wird und dann im tat- sächlichen Verlauf gar nicht mehr als solche auftritt, sondern nur noch als Verlangsa- mung des Wachstums. Zinsstruktur und VIX Ein interessanter Zusammenhang besteht auch zwischen der Zinsstruktur und der Höhe der impliziten Volatilitäten von Optio- nen, gemessen anhand des VIX. Erik Nor- land zeigte das schon im Jahr 2018 („VIX- Yield Curve: At the Door of High Volati- lity?“). Er glättete die verwendete Zinsdif- ferenz (30 Jahre vs. 3 Monate) und den VIX über jeweils zwei Jahre und stellte den Ver- lauf grafisch dar. Dabei zeigte sich ein typi- sches Muster. In einer Rezession entwickelt sich die Zinsstruktur durch Zinssenkun- gen der Notenbank vom flachen in ei- nen steilen, steigenden Verlauf. Dabei liegt die Volatilität am Markt auf recht hohem Niveau. Es folgt die frühe Erho- lung, in der die Kurve steil bleibt und die Volatilität fällt. Dann beginnt die Expansionsphase, in der die Zinsstruk- tur bei niedriger Volatilität wieder ab- flacht. Schließlich setzt die späte Ex- pansionsphase ein, in der die Abfla- chung infolge einer restriktiven Geldpolitik anhält und es zu einer Invertierung kommen kann. Dabei beginnt auch die Volatilität zu steigen, da das Anlegerverhalten von zuneh- mend pessimistischen Zukunftsaussichten beziehungsweise der Angst vor einer Rezes- sion dominiert wird und es zu größeren Korrekturen an den Finanzmärkten kommt. Die Zinsstruktur und das Niveau des VIX folgen demnach einem zyklischen Muster, das die Beziehung zwischen Geldpolitik und Finanzmärkten darstellt und sich dabei recht gut mit dem Konjunkturzyklus deckt (siehe Grafik „Renditedifferenz, VIX und Konjunktur“) . Im aktuellen Paper „Predic- ting Recessions Using VIX-Yield-Curve Cycles“ stellt Anne Lundgaard Hansen basierend darauf eine Methode vor, um Rezessionen vorherzusagen. Dabei zeigt der Zyklusindikator die Wahrscheinlichkeit an, dass eine solche in den nächsten sechs, zwölf beziehungsweise 18 Monaten auftritt. Die Leistung des Modells wird der klassi- schen Alternative gegenübergestellt, die nur die Renditedifferenz verwendet. Die Ergeb- nisse zeigen, dass der Zyklusindikator bei der Vorhersage von Rezessionen in allen be- trachteten Zeiträumen besser abschneidet, so die Autorin. Außerdem findet sie keine Anzeichen dafür, dass die Prognosegüte mit dem Einsatz der unkonventionellen Geld- politik nachgelassen hat. Trotz des aussagekräftigen Modells stellt sich für die Anlagepraxis eine wichtige Fra- ge: Wenn die Kombination aus Renditedif- ferenz und VIX eine kommende Rezession anzeigt, ist es dann bereits zu spät für den Weitgehend unverzerrter Indikator Inversionen des Near-Term Forward Spreads als Rezessionssignale Invertierung Rezessionsbeginn Vorlauf in Monaten Hoch S&P 500 Vorlauf in Monaten Sept. 1973 Dez. 1973 2 Jan. 1973 -8 Dez. 1978 Feb. 1980 13 Feb. 1980 14 Dez. 1980 Aug. 1981 7 Nov. 1980 -1 Juni 1989 Aug. 1990 13 Juli 1990 13 Aug. 1998 – – Juli 1998 -1 Aug. 2000 April 2001 8 März 2000 -5 Juli 2006 Jan. 2008 18 Okt. 2007 15 März 2019 März 2020 12 Feb. 2020 11 Durchschnitt 10,4 4,8 Der Spread ist eine Alternative zur klassischen Renditedifferenz (10 Jahre vs. 3 Monate). Er berechnet sich als Differenz aus dem 1,5 Jahre in der Zukunft liegenden Terminsatz und der aktuellen Rendite von 3-Monats-Bills. Im August 1998 gab es eine Invertierung, die sich als Fehlsignal herausstellte. Quelle: Forbes, Glenview Trust, Bloomberg » Von allen Renditedifferenzen ist die zwischen zehn und zwei Jahren besonders verworren. « Steven A. Sharpe, Board of Governors of the Federal Reserve System N o. 2/2022 | www.institutional-money.com 143 T H E O R I E & P R A X I S | REZE S S I ONS I ND I KATOREN

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