Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

E s gibt viele empirische Belege dafür, dass der Verlauf der Zinsstrukturkurve mit der künf- tigen Wirtschaftsdynamik zu- sammenhängt. Die meiste Zeit über verläuft die Kurve steigend, das heißt, Staatsanlei- hen mit langer Laufzeit weisen höhere jährliche Renditen auf als solche mit kurzer Laufzeit. Eine Abflachung der Renditekurve ist oft später im Kon- junkturzyklus zu beobachten, wenn die Zentralbanken die Leitzinsen anheben, um das Wachstum und die Inflation zu dämpfen. Damit steigen auch die Ren- diten von Papieren mit kurzer Laufzeit (zum Beispiel 3-Monats-Bills) an. Gleichzeitig fallen die langfristigen Renditen oft und spiegeln so die gedämpf- ten Erwartungen für Wachstum und die Inflation in der Zukunft wider. Insgesamt lässt die Zinsstrukturkurve also Rückschlüs- se auf aktuelle und vom Markt erwartete geldpolitische Maßnahmen zu, die wiede- rum mit Erwartungen zum künftigen Kon- junkturzyklus verbunden sind. Warum ausgerechnet die inverse Zins- struktur eine Rezession vorhersagt, erklärte Campbell Harvey, der den Zusammenhang schon im Jahr 1986 entdeckte. Ausgehend von der Unterstellung, dass zehnjährige US- Staatsanleihen als die „sicherste Anlage der Welt“ betrachtet werden, bewirkt das stei- gende Risiko einer Rezession, dass Anleger verstärkt in diese bewährte Anlage um- schichten. Der damit verbundene Kaufdruck lässt die Kurse der zehnjährigen Anleihen steigen und damit deren Rendite sinken. Das lange Ende der Zinsstruktur geht also nach unten. Ist das erwartete Rezessions- risiko besonders groß, können die Renditen am langen Ende sogar unter diejenigen am kurzen Ende fallen, wodurch eine Invertie- rung entsteht. Dabei hat die Notenbank nur begrenzten Einfluss auf die Zinsstrukturkurve. Sie bestimmt zwar das kurze Ende maßgeblich, doch am langen Ende können sich die Erwartungen des Marktes relativ frei bewe- gen. Letztlich, so Harvey, ist die Zins- strukturkurve ein Indikator dafür, wie am Markt die Stimmung über das künftige Wirtschaftswachstum und die damit ver- bundenen Risiken ist. Eine Invertierung ist Anfang April lagen die zweijährigen US-Anleihenrenditen kurzzeitig über den zehnjährigen . Angesichts dessen gab es vermehrt Berichte über die inverse Zinsstruktur als Signal für eine bevorstehende Rezession. Tatsächlich lag aber eine Sondersituation vor. » Wir finden keine Hinweise, dass sich anhand von Invertierungen schlechte Aktienrenditen vermeiden lassen. « Kenneth R. French, Professor of Finance, Dartmouth College Knick in der Zinsstruktur Kein Timing-Instrument Monatliche aktive Prämien von Invertierungsstrategien (1975 bis 2018) Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen monatlichen Prämien von 24 verschiedenen Strategien , die bei einer Invertierung der jeweiligen Renditedifferenz in den einzelnen Monaten mit zeitlicher Verzögerung des Prognosezeitraums in 1-Monats-Bills statt in Aktien investieren. Beispiel: Ist für den Prognosezeitraum von einem Jahr eine bestimmte Renditedifferenz in sieben der zwölf Monate invers, investiert das Portfolio versetzt um jeweils ein Jahr in 1-Monats-Bills (hier zu 7/12) bzw. Aktien (hier zu 5/12). Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle Strategien negative aktive Prämien erzielten. Quelle: Fama, E. / French, K. (2019), Inverted Yield Curves and Expected Stock Returns, S. 12 USA Invertierte Renditedifferenz Prognosezeitraum (in Jahren) (in Monaten) 1 2 3 4 60 – 1 -1,13 -0,40 -0,72 -0,78 60 – 12 -1,11 -0,69 -0,67 -1,09 60 – 24 -1,04 -0,35 -0,59 -0,95 120 – 1 -0,57 -0,66 -0,70 -0,76 120 – 12 -1,77 -0,95 -0,83 -1,08 120 – 24 -2,45 -1,08 -0,95 -1,13 Welt ohne USA Invertierte Renditedifferenz Prognosezeitraum (in Jahren) (in Monaten) 1 2 3 4 60 – 1 -1,78 -1,41 -1,25 -1,82 60 – 12 -0,16 -0,04 -0,59 -1,32 60 – 24 -0,15 0,19 -0,50 -1,47 120 – 1 -0,65 -0,41 -0,39 -0,80 120 – 12 0,81 0,24 -0,45 -1,28 120 – 24 1,41 0,82 -0,02 -0,91 140 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | REZE SS I ONS I ND I KATOREN FOTO: © KATHY TARANTOLA, GMF

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