Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Das Paper verwendet durch die Wayback Machine archivierte Versionen der Website von Professor French, um die publizierten Faktordaten bis zurück ins Jahr 2005 zu erhalten. Für jedes Jahr, in dem eine archi- vierte Version der Seite verfügbar ist, wird ein Jahrgang der Daten gespeichert. Ist für ein bestimmtes Jahr mehr als ein Archiv verfügbar, wird dasjenige ausgewählt, das der Jahresmitte (Ende Juni) am nächsten liegt. Nach diesem Verfahren werden die Jahrgänge der einschlägigen Faktoren be- schafft. Den Autoren zufolge ist auffällig, dass die Unterschiede bei den Faktorrenditen selbst zwischen benachbarten Jahrgängen zum Teil beträchtlich sind. Besonders aus- geprägt sind die Korrekturen bei Value (HML) (siehe Grafik „Erhebliche Diskre- panz“) . Ein Vergleich der monatlichen HML-Renditen der Jahrgänge 2005 und 2006 zeigt zum Beispiel, dass sich diese in 90 Prozent der Beobachtungen un- terscheiden, wobei die mittlere ab- solute Differenz auf Jahresbasis mehr als ein Prozent beträgt. Auch die Durchschnittswerte sind betrof- fen: So ist die mittlere HML-Ren- dite im Jahrgang 2021 um fünf Ba- sispunkte pro Monat höher als im Jahrgang 2005. Die Forscher schreiben, dass dieser Unterschied sowohl statistisch signifikant als auch wirtschaftlich bedeutsam ist. Faktorrauschen Eine Analyse der Querschnitts- renditen zeigt, dass die Schätzun- gen der Alphas und Betas einzelner Aktien sowohl in Bezug auf das Niveau als auch auf die Signifi- kanz deutlich variieren, je nach- dem welcher Faktorjahrgang ver- wendet wird. Zum Beispiel führt ein Wechsel zwischen den Jahrgän- gen 2005 und 2021 dazu, dass sich auf Ba- sis monatlicher Daten über fünf Jahre ein Viertel der im 3-Faktor-Modell geschätzten Alphas um mehr als ein Prozent pro Jahr ändert und ein Zehntel der signifikanten Al- phas an Signifikanz verliert. Normalerweise nehmen die Auswirkun- gen von Datenrauschen im Kontext diversi- fizierter Portfolios zwar ab. Doch hier liegt das Problem darin, dass es sich um ein Rau- schen auf Ebene der Faktoren handelt. Des- halb unterscheiden sich die Regressionen verschiedener Faktorjahrgänge auch in den diversifizierten Portfolios erheblich. Die Autoren untersuchen die Perfor- mance einer Vielzahl von Anomalie-Strate- gien und stellen fest, dass die Überrenditen von fast einem Drittel der Portfolios auf- grund von Änderungen der Faktorjahrgänge an statistischer Signifikanz verlieren. Auch ökonomisch sind die Auswirkungen groß, da sich viele Alpha-Schätzungen um mehr als ein Prozent pro Jahr verändern. Auf Momentum bezogene Anomalien reagieren dabei am empfindlichsten auf eine Verände- rung der Jahrgänge, während Strategien mit Bezug zum Investment-Faktor am wenigs- ten betroffen sind. Neben Faktorstrategien sind auch Ein- schätzungen zu Risiko und Performance von Fonds von der Wahl des Jahrgangs abhängig. Fast die Hälfte der Alpha- Schätzungen schwankt dabei um mehr als ein Prozent pro Jahr (siehe Grafik „Alpha-Unterschiede bei Fonds“) . Als Ursachen der Abweichungen in den Jahrgangsdaten sind zwei Punkte zu nennen. Zum einen können sich rück- wirkend Änderungen der Eingabedaten von CRSP und Compustat ergeben. Und zum anderen kann es zu einer im Zeit- ablauf abweichenden Konstruktion der Fak- toren kommen. Dabei ist davon auszuge- hen, dass die aktualisierten Faktorjahrgänge eine Verbesserung gegenüber vorherigen Versionen darstellen. Die Ergebnisse deuten den Autoren zufolge jedenfalls nicht darauf hin, dass die Faktoren geändert wurden, um die Modellleistung zu verbessern. Insgesamt handelt es sich bei den beob- achteten Datenanpassungen um eine Quelle für latentes Rauschen in den Faktoren, das bei empirischen Tests derzeit nicht berück- sichtigt wird. Die Änderungen sind dabei durchaus erheblich und die Auswirkungen weitreichend: Schätzungen der risi- ko- und faktorbereinigten Rendite von Aktien, Anomalieportfolios und Investmentfonds können sich erheblich ändern, wenn man die Jahrgänge variiert. Dabei sind vor allem Regressionen mit kurzem Zeithorizont von bis zu fünf Jahren betroffen. Schätzungen mit länge- rem Zeithorizont sind dagegen we- niger anfällig für Faktorrauschen. Doch zum Beispiel bei Fonds sind lange Zeiträume oft schwierig an- zuwenden, wenn es sie erst seit ein paar Jahren gibt oder länger beste- hende Fonds im Zeitablauf nicht dieselbe Strategie hatten. Die Untersuchungen lassen ver- muten, dass rückwirkende Ände- rungen der Faktoren zur Erklärung von Schwierigkeiten bei der Repli- kation früherer Studienergebnisse beitragen können. Einige Ergeb- nisse könnten möglicherweise nur Ungewolltes Faktor-Exposure Die Portfolios entfernen sich vom puren Faktor-Engagement. Die Abbildung zeigt exemplarisch, wie sich das Exposure eines puren Port- folios auf den Quality-Faktor entwickelte, das am 31. März 2004 konstruiert wurde. Nachdem das Exposure zu Beginn per Definition vollständig bei Quality lag, nahm dies im Zeitablauf deutlich ab, während ein zunehmender Einfluss anderer Faktoren zu beobachten war. Diese ungewollten Engagements über- schritten im 19. Monat das angestrebte Quality-Exposure. Quelle: Flint, E. / Vermaak, R. (2021), Factor Information Decay: A Global Study, S. 6 Unveränderte Haltedauer in Monaten 30 24 18 12 36 6 0 Faktor-Exposure 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 Absolutes gewolltes Exposure (Zielfaktor) Absolutes ungewolltes Exposure » Bei den Fama-French-Faktordaten kommt es häufig zu rückwirkenden Änderungen. « Adriana Robertson, Associate Professor of Law and Finance, University of Toronto und Rotman School of Management N o. 2/2022 | www.institutional-money.com 137 T H E O R I E & P R A X I S | FAKTOREV I DENZ

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