Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

heblich schwankt. Eine statistische Analyse der Hauptkomponenten zeigt zudem, dass die Ergebnisse nicht auf redundante Fakto- ren zurückzuführen sind und dass auch weniger prominente Effekte einen sinnvol- len Erklärungsbeitrag leisten. Die Signifi- kanz der Faktoren scheint demnach nicht durch bloßes Data Mining oder unangemes- sene Mehrfachtests zustande zu kommen. Stattdessen führen die Autoren die Anzahl signifikanter Faktoren auf den durch das CAPM unerklärten Teil der erwarteten Aktienrenditen zurück. Über die Originalarbeiten hinaus, in de- nen einzelne Faktoren vorgestellt wurden, sind diese oft auch in früheren und späteren Zeiträumen statistisch signifikant. Aller- dings schwankt dabei die Signifikanz im Zeitablauf häufig. Bestimmte Faktoren kön- nen also mehrmals an Relevanz gewinnen und verlieren. Die entscheidende Frage ist nun, ob es sich dabei um zufälliges Rau- schen oder um eine Variation tatsächlicher Renditeprämien handelt. Tatsächliche Prämien Um das herauszufinden, wird untersucht, ob die schwankende Anzahl signifikanter Faktoren mit Messgrößen zusammenhängt, die für Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld stehen. Die Ergebnisse sprechen dafür: Die Anzahl signifikanter Faktoren hängt mit einem Indikator für Rezessionen, den Zinssätzen, dem durchschnittlichen Anteil von institutionellen Anlegern sowie besonders mit der Anzahl börsen- notierter Unternehmen zusammen. Letzteres spricht dafür, dass sich Unternehmen mit frischer Börsen- notiz systematisch von bereits länger gelisteten Werten unterscheiden. Ins- gesamt deutet die Studie darauf hin, dass eine Vielfalt an Faktoren erfor- derlich ist, um Querschnittsrenditen angemessen zu bewerten. Wenn man dabei annimmt, dass bestimmte Fak- toren die Renditen in einigen Zeit- räumen erklären können, in anderen aber nicht, dann müssten auch nega- tive Out-of-Sample-Ergebnisse diffe- renzierter betrachtet werden, statt die entsprechenden Effekte einfach zu verwerfen. Den Autoren nach sind entsprechende ökonometrische Me- thoden notwendig, die für ein dyna- misches Umfeld geeignet sind. Praktisch relevant? Eine Frage müssen sich die Forscher je- doch bei aller Begeisterung für den Faktor- zoo gefallen lassen: Sind die Ergebnisse wirklich relevant für die Praxis, die Fakto- ren also umsetzbar? An dieser Stelle gibt es einige Zweifel. Vor allem ist die Perfor- mance vieler Faktoren von Small und Micro Caps abhängig, die sich in der Realität kaum wie in den Studien beschrieben abbil- den lassen (Institutional Money 01/2022, „Nur eine Fata Morgana“, S. 134–136) . Eine Studie, die das praktische Manko bestätigt, stammt vom Autorentrio um Söhnke Bartram („Navigating the Factor Zoo Around the World: An Institutional Investor Perspective“). Nur breit angelegte Faktorkonzepte wie Carry, Value, Momen- tum und Quality sind demnach über ver- schiedene Anlageklassen hinweg abbildbar. Die Autoren schreiben, dass die Anzahl der Faktoren mit unabhängigen und verwert- baren Prämien weitaus geringer ist, als es die umfangreiche Literatur vermuten lässt. Diese Kritik ist durchaus angebracht und kann von der zuvor beschriebenen Studie nur teilweise gekontert werden. Das Argu- ment ist, dass die in den Renditen von Small und Micro Caps enthaltenen Infor- mationen nicht unbedingt weniger nützlich sind als jene in den Renditen von Large Caps – zumindest, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren der Querschnittsrenditen zu verstehen. Umge- kehrt heißt das aber auch, dass hunderte Faktoren für die Praxis mit Sicherheit weitaus weniger relevant sind als für die Theorie. Nennenswerte Revisionen Eine andere Erkenntnis, die durchaus interessant sein dürfte, stellen die drei For- scher Pat Akey, Adriana Robertson und Mikhail Simutin in ihrem Paper „Noisy Factors“ vor. Sie weisen darauf hin, dass in vielen Studien die gängigsten Faktoren nicht eigens aus den Daten erstellt werden. Stattdessen nutzt man oft die vorgefertigten Daten von Professor Kenneth Frenchs bekannter Website. Eine genaue Beobachtung zeigt jedoch, dass die Faktoren dort regel- mäßig überarbeitet werden. Nach jeder Aktualisierung ist nur noch die neueste Version verfügbar. Man soll- te zwar eigentlich davon ausgehen, dass solche Anpassungen marginal sind, doch wie die Autoren in ihrer Studie zeigen, ist das nicht unbe- dingt der Fall. Tatsächlich sind die Anpassungen sowohl häufiger als auch größer als erwartet. Deshalb können sich qualitative und quanti- tative Schlussfolgerungen von Un- tersuchungen auf Basis der publi- zierten Faktoren durchaus ändern, je nachdem, wann die zur Analyse verwendeten Daten heruntergeladen wurden. Alpha-Unterschiede bei Fonds Rund 46 Prozent der Werte mit Differenzen von mehr als einem Prozent Die Abbildung zeigt Unterschiede in den Alphas von Investmentfonds, die anhand der Faktorjahrgänge 2005 und 2021 mittels 3-Faktor-Modell geschätzt wurden. Etwa 31 Prozent der Alphas sind nur in einem der Jahr- gänge signifikant. Quelle: Akey, P. / Robertson, A. Z. / Simutin, M. (2021), Noisy Factors, S. 38 10 5 0 -5 -10 Alpha-Differenz in Prozent Anteil in Prozent 0 % 5 % 10 % 15 % 2021 -1,90 13,81 2005 -1,80 13,49 2021 – 2005 -0,09 2,09 Jahrgang Mittel- wert Standard- abweichung » Die Anzahl der Faktoren hängt mit der Komplexität der Finanzmärkte zusammen. « Prof. Hendrik Bessembinder, W. P. Carey School of Business, Arizona State University FOTO: © OLIVER SALATHIEL 136 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | FAKTOREV I DENZ

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