Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Schuldenkrisen sind die Verluste der Inves- toren jedoch relativ überschaubar. Die Nichtanerkennung von Schulden geschieht vergleichsweise selten. Die Grafik „Unterschiedliche Ren- diteaufholung“ verwendet dieselben Daten, vergleicht aber Ausfälle mit „hohen“ und „niedrigen/moderaten“ Haircuts. Ausfälle mit einem Haircut von über 42 Prozent (der Medianwert in dieser Stichprobe von 92 Fällen) wer- den als Fälle mit hohen Haircuts be- zeichnet, jene mit Haircuts unter 42 Prozent gelten als Fälle mit niedrigen Haircuts. Es stellt sich heraus, dass der Rückgang der Anlegerrenditen bei Fällen mit niedrigem Haircut viel geringer ausfällt. Im Durchschnitt werden die Verluste inner- halb von drei Jahren nach dem ersten Aus- fall aufgeholt. Im Gegensatz dazu warten Investoren, die von größeren Ausfällen be- troffen sind, im Durchschnitt mehr als sechs Jahre, bis sie die Gewinnschwelle erreichen. Modelle versagen Auf einer allgemeineren Ebene zeigen die Ergebnisse viele Parallelen zu Aktien auf. Wie im Fall von Aktien zeigen Staatsanlei- hen mit Auslandsbezug hohe Überschuss- renditen bei relativ geringer Volatilität. Die bahnbrechende Arbeit von Mehra und Pres- cott von 1985 mit dem Titel „The Equity Premium: A Puzzle“ zeigte, dass Standard- Asset-Pricing-Modelle nicht in der Lage sind, die empirisch beobachtete große Kluft zwischen risikoreichen und risiko- losen Assets zu reproduzieren. Auf ihren Beitrag folgte eine Reihe von Studien über das Rätsel der Aktienprämie, die sich weitgehend auf die USA nach dem Zweiten Weltkrieg bezogen. Im Ver- gleich zur Literatur über langfristige Aktienrenditen deckt die Analyse von Auslandsanleihen weit mehr Länder ab, insbesondere auch Schwellenländer und Frontier Markets. Sie reicht auch viel weiter zurück. Es gibt jedoch Lücken in den Preisreihen für Anleihen einzelner Länder, und der Markt für externe Staatsanleihen schrumpft in der Bretton- Woods-Ära der Kapitalverkehrskontrol- len und verschwindet in der Zeit der Konsortialkredite der 1970er- und 1980er- Jahre fast ganz. Der durchschnittliche Erfassungszeitraum für ein Land beträgt 70 Jahre. Außerdem gibt es Untersu- chungen über das „Credit Spread Puzzle“ für Corporate Bonds, die in der Regel Daten aus den letzten 30 Jahren verwenden. Die hohen Überschussrenditen bei aus- ländischen Staatsanleihen wurden von ande- ren Wissenschaftlern weitaus weniger be- achtet, weil frühere Studien kaum Belege für Überschussrenditen gefunden haben. Da Meyer, Reinhart und Trebesch das Ergebnis jedes einzelnen Zahlungsausfalls quantifi- zieren, entfernt sich ihre Analyse von dem in der Literatur üblichen binären Ansatz, bei dem ein Land entweder in Zahlungsverzug ist oder nicht. Wie bei Währungs- oder Inflationskrisen spielen Größenordnungen eine Rolle. Die Autoren messen das Aus- maß dieser „Kreditereignisse“ sowohl an- hand der Höhe des Haircuts als auch der Höhe des betreffenden Ausfallvolumens, was es ermöglicht, die Grautöne in den verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten zu identifizieren. Die Daten zeigen, dass Credit Events auf diesem Markt am besten als Teilausfälle mit anschließender vertraglicher Neuregelung beschrieben wer- den können – und eben nicht als klassische Defaults. Schließlich ist die Studie die erste, die eine 200-Jahres-Perspektive der Preis- bildung von Staatsanleihen umfasst. Vergli- chen mit der Arbeit von Mauro, Sussman und Yafeh von 2002 fügen die Autoren bei- spielsweise 60 Jahre an Daten aus der Zeit vor 1870 hinzu sowie die gesamte Zeit vor, während und nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, als die Co-Bewegungen bei den Kursen von Staatsanleihen höher waren als in der relativ ruhigen Zeit vor 1913. Die Autoren zeigen auf, dass die Ge- schichte der externen Staatsanleihen eine Geschichte häufiger Gewinne und gelegent- licher Verluste ist. Ausfälle und Abschläge sind ein wiederkehrendes Merkmal dieses Marktes, aber im Durchschnitt werden die Investoren für die eingegangenen Risiken entschädigt, auch im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Aktien. In den letzten zwei Jahrhunderten stellt man eine Über- schussrendite fest, die als aufschlussreich » Performanceentscheidend sind die hohen Kupons bei Staatsanleihen außerhalb der USA und UK. « Dr. Josefin Meyer, Kieler Institut für Weltwirtschaft Die große Haircut-Statistik Auswertung der Zahlungsausfälle und Umschuldungen der letzten 200 Jahre Fälle Mittelw. Median Stabw. Min Max Haircuts (Default-Restructuring Events) Gesamte Stichprobe (1815–2016) 313 44 % 39 % 30 % -14 % 100 % Historische Beispiele (Defaults vor 1970, nur Anleihenrestrukturierungen, keine Bankschulden) 138 51 % 48 % 32 % -14 % 100 % Moderne Beispiele (Defaults nach 1970 inklusive 152 Bankkreditpleiten und 23 Anleihenpleiten) 175 39 % 34 % 28 % -10 % 97 % … Teilmenge von 23 Anleihenrestrukturierungen jüngeren Datums (seit 1998) 23 37 % 37 % 21 % 6 % 77 % Alternative Haircut-Messgrößen % Haircuts, gewichtet nach Restrukturierungsvolumina 313 39 % 30 % 27 % -14 % 100 % Nennwert-Haircuts 313 24 % 0 % 34 % -15 % 100 % Einige der Haircuts sind negativ, dies sind aber nur zehn Ereignisse. Sie treten meist zu Beginn einer Schuldenkrise auf. Ein negativer Nennwertabschlag trat nur bei der mexikanischen Umschuldung von 1864 (–15 %) auf, da ausstehende Zinsen zu einem Satz von über 100 Prozent in neue Schulden kapitalisiert wurden. Bei den letzten 23 Anleihenumschuldun- gen fällt auf, dass die Gläubiger nur mehr maximal 77 Prozent bekamen. Quelle: Studie 130 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | S TAAT SANL E I HEN FOTO: © DIW BERLIN

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