Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

globalen Krisen in den letzten 200 Jah- ren liegt die durchschnittliche reale jähr- liche Ex-post-Rendite für ein globales Portfolio ausländischer Staatsanleihen bei 6,85 Prozent einschließlich Zeiten der Unruhe aufgrund von Zahlungsaus- fällen, Kriegen und Revolutionen (siehe Tabelle „Renditen globaler Staatsanlei- henportfolios“) . Der Durchschnitt liegt etwas höher (6,99 Prozent), wenn man den Ersten und den Zweiten Weltkrieg unberücksichtigt lässt. Somit kann ein Investor, der mit einem einjährigen An- lagehorizont in den Markt einsteigt, im Durchschnitt eine reale Ex-post-Rendite von fast sieben Prozent erwarten – und damit etwa vier Prozent mehr, als die „risikofreie“ Benchmark britischer oder amerikanischer Staatsanleihen abwirft. Ein Wermutstropfen dieser Statistik ist, dass die Jahre von 1974 bis 1994 nicht enthalten sind. Wegen des Ausbleibens neuer Anleihen in den 1970er- und 1980er-Jahren lässt diese Stichprobe die umfassende Schuldenkrise in den Schwellen- und Entwicklungsländern in den 1980er-Jahren vermissen, als Kon- sortialkredite – und nicht Anleihen – im Mittelpunkt des Ausfalldramas standen. Die vorhandenen Daten für diesen Zeitraum lassen darauf schließen, dass die Ex-post- Renditen in den 1980er-Jahren deutlich unter dem historischen Durchschnitt lagen. Was die nominalen Renditen anbelangt, so übersteigen diese die realen Renditen in der gesamten Stichprobe, was jedoch auf das Zeitfenster nach dem Ersten Weltkrieg zu- rückzuführen ist. Im 19. Jahrhundert waren die realen Renditen tendenziell höher als die nominalen Renditen, was auf die vielen Deflationsperioden zurückzuführen ist, ein- schließlich der Phase der „Großen Defla- tion“ zwischen 1870 und 1890. Die geome- trische reale Gesamtrendite ist wegen des Zinseszinseffekts niedriger und liegt über die Gesamtperiode im Schnitt bei 5,78 Pro- zent. Die Überschussrenditen sind auf die hohen Kupons zurückzuführen, die auf die- sem Markt angeboten werden. Es über- rascht nicht, dass die Renditen in krisenan- fälligen Jahrzehnten tendenziell niedriger ausfallen. Darüber hinaus stehen die Risiko- Rendite-Eigenschaften im Einklang mit denen anderer handelbarer Vermögenswer- te, insbesondere Aktien aus den USA und dem Vereinigten Königreich, für die die Autoren ebenfalls Renditen über den Zeit- raum der Stichprobe von 200 Jahren be- rechnen. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Beitrag zur Lösung eines Rätsels, das die Kapital- marktforschung bereits seit Jahrzehnten be- schäftigt – nämlich warum Staaten trotz Zahlungsausfällen in der Vergangenheit immer wieder Kredite aufnehmen können. Sehr risikoreichen Ländern, deren Staatsan- leihen ausgefallen sind, gelingt es oft, nach dem Staatsbankrott rasch wieder neue An- leihen zu platzieren. So hatte etwa Argenti- nien 2016 nur wenige Monate nach seinem siebenten Zahlungsausfall wieder Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten, um sich erneut zu verschulden. Zu den Neu- emissionen gehörte eine 100-jährige Anlei- he mit einem Kupon von 7,125 Prozent und einer Laufzeit bis 28. Juni 2117, was Markt- beobachter zu dem Schluss veranlasste, dass die Kreditmärkte überhitzt waren. In den vergangenen Jahren erlebte Afrika seinen eigenen Emissionsboom, da ehemals hoch verschuldete arme Länder (HIPCs, Heavily Indebted Poor Countries) wie Ghana oder Sambia problemlos Anleihen im Ausland platzierten. Die historischen Ergebnisse hel- fen dabei, dieses Marktverhalten zu verste- hen. Diese Anlageklasse ist durch ein hohes Rendite-Risiko-Verhältnis gekennzeichnet. Dies macht verständlich, warum staatliche Schuldner wiederholt in Zyklen der Über- schuldung hineinlaufen können, oft gefolgt von einem Zahlungsausfall und dem anschlie- ßenden Wiedereintritt in den Markt, sodass daraus ein serieller Zahlungsausfall wird. Die Studienergebnisse lassen sich nur schwer mit den grundlegenden quantitativen Modellen zumAusfall von Staatsanleihen in Einklang bringen. Bis vor Kurzem wurde in der Literatur von risikoneutralen Investoren und staatlichen Risikoprämien ausgegan- gen, die lediglich die erwarteten Verluste aus einem Default widerspiegeln (z. B. Aguiar und Gopinath 2006; Arellano 2008; Mendoza und Yue 2012). Wenn Investoren allerdings risikoneutral sind, sollte die er- wartete Überschussrendite gegenüber „risi- kofreien“ Anleihen gleich null sein. Doch die Autoren finden reale Überschussrendi- ten vor, die ex post für die gesamte globale Stichprobe zwischen zwei und vier Prozent liegen, obwohl es beträchtliche Schwankun- gen im Zeitverlauf gibt. Somit erhalten die Investoren offensichtlich in der Regel eine Art Kompensationsprämie für das Halten von Staatsrisiken, die die historischen Kre- ditverluste übersteigen. Dieses Ergebnis stützt eine wachsende Zahl von quantitati- ven Arbeiten, die von risikoaversen (avers Kurzfristig betrachtet gibt es aktuell wenig Argumente, die für Staatsanleihen sprechen. Wer etwas länger zurückblickt, stellt fest, dass diese Anlageklasse durchaus attraktive Ergebnisse liefert. N o. 2/2022 | www.institutional-money.com 127 T H E O R I E & P R A X I S | S TAAT SANL E I HEN

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