Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

D ie Schlacht von Water- loo im Jahr 1815 kann als Geburtsstunde der modernen Märkte für Staatsanleihen angesehen werden – und der immer wiederkehrenden Boom- and-Bust-Zyklen. Die Napoleonischen Kriege und die Niederlage von Frank- reich und Spanien beschleunigten da- mals die Unabhängigkeitsbestrebungen eines Dutzends neuer Republiken in Lateinamerika, die sich rasch in London nach Kreditfinanzierungen umsahen und diese auch erhielten. Der erste Anleihen- boom in Schwellenländern, zu dem unter anderem auch die erste international bege- bene Staatsanleihe Griechenlands gehörte, endete abrupt in der Panik von 1825. Seit- dem sind viele ähnliche Zyklen von Kre- ditvergabe und Zahlungsausfällen zu beob- achten, an denen oft dieselben Länder beteiligt waren, und zwar immer wieder. Warum fühlen sich Investoren angesichts der häufigen Ausfälle und der begrenzten Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche bei Auslandsstaatsanleihen immer wieder zu dieser Anlageklasse hingezogen, mag man sich mit gewisser Berechtigung fragen. Diesem Problem auf den Grund gehen Josefin Meyer, Carmen Reinhart und Christoph Trebesch insofern, als sie untersuchen, wie Gläubiger im Hinblick auf die finanzielle Performance an den Staatsanleihenmärkten kurz- und lang- fristig abgeschnitten haben. Total-Return-Analyse Zur Untersuchung des Total Return von Staatsanleihen sind zwei Kompo- nenten erforderlich. Einmal sind das die Preiszeitreihen: Die wohl umfassendste Stichprobe zur Untersuchung von Staats- anleihenrenditen basiert auf monatlichen Preisdaten von 1.552 Fremdwährungs- anleihen, die in London und New York in den letzten 200 Jahren emittiert und gehandelt wurden. Insgesamt fasste man dabei 266.134 Beobachtungen über 91 Staa- ten für die Analyse zusammen. Angesichts der wiederkehrenden Kreditereignisse vieler Staaten sind Preise und spezifische Anlei- henmerkmale zwar notwendig, aber nicht ausreichend für die Renditeberechnung. Die zweite erforderliche Komponente ist die Quantifizierung der Anlegerverluste auf- grund von Ausfällen von Staaten (Sovereign Defaults) und Umschuldungen (Haircuts), wofür die Autoren eine umfangreiche Da- tenbank zusammengestellt haben, in der sie die ausgebliebenen Zahlungen, Umschul- dungsbedingungen und Nennwertabschrei- bungen in mehr als 300 Schuldenkrisen seit 1815 sammelten. Und obwohl heute die Meinung vor- herrscht, dass mit Rentenanlagen langfristig kein realer Vermögenserhalt gelingt bezie- hungsweise Sachwertbeteiligungen dafür unerlässlich sind, konnten die Autoren fest- stellen, dass die Ex-post-Renditen ausländi- scher Staatsanleihen Investoren tatsächlich für die übernommenen Kreditrisiken, die sie eingehen, entschädigen. Ungeachtet der zahlreichen Zahlungsausfälle, Kriege und Dass Aktien real zumindest werterhaltend sind, mag angesichts der Partizipation am Kapitalstock eines Landes nicht überraschen. Doch wie sieht es bei Staatsanleihen aus? Ein Blick über gut zwei Jahrhunderte bringt Überraschendes zutage. » Hohe risikoadjustierte Renditen sind der Grund, warum Pleitestaaten bald wieder Anleihen platzieren können. « Carmen Reinhart, PhD, Harvard Kennedy School, Chefökonomin Weltbank Unerwartete Überrenditen Renditen globaler Staatsanleihenportfolios Jährliche reale und nominale Renditen im Zeitraum von 1815 bis 2016 Reale Renditen p. a. Nominalrenditen p. a. Über US-/ Sharpe Arithm. Geom. Stand.- Arithm. Geom. UK-Staats- Ratio Mittel Mittel abw. Mittel Mittel SD anleihen Gesamtstichprobe 1815–2016 6,85 5,78 15,03 7,99 7,13 13,69 4,29 0,32 … ohne Weltkriegszeiträume 6,99 5,99 14,50 7,69 6,87 13,21 3,94 0,30 Teilstichproben (Zeitabschnitte) 1815–1869 7,10 5,66 17,28 6,90 5,87 14,84 2,96 0,23 1870–1914 6,28 5,97 8,01 6,18 5,91 7,45 3,70 0,48 1915–1945 6,01 4,29 19,91 7,12 6,00 16,19 2,33 0,16 1946–1973 5,85 4,91 14,52 10,15 9,19 15,12 8,07 0,52 1995–2016 9,89 8,96 14,29 12,40 11,41 14,97 6,26 0,33 Monatsrenditen (Gesamtstichpr.) 0,54 0,47 3,74 0,65 0,58 3,66 0,35 9,33 Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen jährlichen (letzte Zeile: monatlichen) Anlegerrenditen in der Gesamt- stichprobe von 91 Ländern und 200 Jahren sowie für verschiedene Teilstichproben sowie deren Standardabweichungen. Basis ist jeweils ein globales Portfolio, das alle ausstehenden Staatsanleihen in Fremdwährung umfasst. Überschussrenditen und Sharpe Ratios werden unter Verwendung von US/UK-Anleihen als Benchmark berechnet. Quelle: Studie 126 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | S TAAT SANL E I HEN FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH, MARCEL SCHAUER | STOCK.ADOBE.COM

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=