Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

rig ausfallen (siehe Grafiken „Sektorbe- trachtung“) . Das erlaubt wichtige Erkennt- nisse für Sektorfinanzanalysten. Aktienrenditen Die drei Autoren verwenden als Streu- ungsmaß (Diskrepanzmaß) für ESG-Ra- tings die Standardabweichung der verfügba- ren ESG-Ratings der sieben verschiedenen Datenanbieter und berechnen das Dis- krepanzmaß der ESG-Rating-Streuung sowohl für das ESG-Gesamt-Rating als auch getrennt für jede der drei Dimen- sionen E, S und G. Anschließend setzen sie die monatlichen Aktienrenditen als abhängige Variablen in Bezug zu dem Diskrepanzmaß für die ESG-Rating- Streuung und kontrollieren die Ergeb- nisse im Hinblick auf Aktiencharakteris- tika wie etwa Momentum, Size und Quality, die eine Prognosekraft für Aktien- renditen besitzen, wie andere Studien nach- gewiesen haben. Bei diesen Regressionen stellt sich heraus, dass Aktienrenditen in einer positiven Beziehung zur Streuung der ESG-Ratings stehen (siehe Tabelle „Aktien- renditen und Streuung der ESG-Ratings“) . Es gilt also: Je höher die Streuung der ESG- Ratings, desto höher die monatlichen Aktienrenditen. Die Resultate lassen den Schluss zu, dass diese Beziehung haupt- sächlich durch die Uneinigkeit der Rating- agenturen beim E-Faktor (Umweltrating) bestimmt wird. Was die wirtschaftliche Größenordnung anbelangt, so berechnen die Autoren, dass ein Anstieg der ESG-Rating- Streuung von einem Quartil zum nächsten mit einem Anstieg der jährlichen Eigen- kapitalkosten um 92 Basispunkte verbun- den ist. Nicht zu unterschätzen Die Nichtberücksichtigung von Unter- schieden bei ESG-Rating-Spreizungen in der Unternehmensbewertung könnte zu erheblichen Fehlern bei der Schätzung des Werts des Eigenkapitals eines Unterneh- mens führen: Man nehme beispielsweise an, ein Unternehmen hat einen ewigen jährli- chen Free Cash Flow to Equity (FCFE) von 100 Millionen US-Dollar pro Jahr, eine erwartete Wachstumsrate des FCFE von null Prozent und Eigenkapitalkosten von fünf Prozent. Wenn nun die ESG-Rating- Diskrepanz von einem Quartil ins nächsthö- here springt, würden die wahren Eigenkapi- talkosten 5,92 Prozent betragen, was auf eine Überschätzung des Eigenkapitalwerts von zirka 311 Millionen US-Dollar oder 18 Prozent hinausläuft, wenn die ESG-Rating- Abweichungen nicht berücksichtigt würden. Diese positive Beziehung zwischen ESG- Bewertungsdiskrepanzen und Aktienrendi- ten lässt sich mit einem Standardargument für das Pricing von Assets erklären: Eine höhere Streuung bei ESG-Ratings kann als eine Quelle der Unsicherheit – im Sinne der Knight’schen Unsicherheit – wahrgenom- men werden, die eine Unsicherheitsprämie verlangt. Dies würde erklären, warum sicher- heitsaffine Investoren, die ein solches zu- sätzliches Risiko übernehmen, durch höhere erwartete Renditen entschädigt werden wollen. Faktor ESG-Rating-Diskrepanz Sortiert man Aktien gemäß der ESG-Be- wertungsdiskrepanzen in Quintile und bildet analog zu den klassischen Faktoren nun Long/Short-Portfolios (hohe ESG-Rating- Diskrepanz: long, geringe ESG-Rating-Dis- krepanz: short), so generieren diese Port- folios zirka 21 Basispunkte monatlich – oder 2,52 Prozent jährlich – auf Basis dieses Aktienrenditen und Streuung der ESG-Ratings Je höher die Rating-Dispersion, desto mehr Aktienrendite ABHÄNGIGE VARIABLE: AKTIENERTRAG (1) (2) (3) (4) ESG-Gesamtrating Umweltrating Sozialrating Governancerating Rating-Dispersion 0,698 1,012 0,630 -0,059 (1,995) (2,375) (1,515) (-0,136) Marktkapitalisierung -0,134 -0,128 -0,135 -0,119 (-0,726) (-0,686) (-0,725) (-0,635) Kurs-Buchwert-Verhältnis 0,216 0,233 0,218 0,226 invers (0,973) (1,048) (0,984) (1,021) Profitabilität brutto 0,231 0,246 0,234 0,222 (0,772) (0,825) (0,781) (0,745) Momentum 0,360 0,348 0,359 0,361 (1,114) (1,064) (1,109) (1,120) Dispersion der Analysten- -0,232 -0,193 -0,233 -0,228 schätzungen zum Gewinn/Aktie (-1,337) (-1,116) (-1,344) (-1,313) Beta 0,165 0,188 0,168 0,158 (0,330) (0,376) (0,336) (0,316) Gesamtvolatilität -0,081 -0,115 -0,084 -0,073 (-0,227) (-0,328) (-0,237) (-0,206) Branche × monatl. fixe Effekte Ja Ja Ja Ja Anzahl der Beobachtungen 42.058 41.786 42.058 42.058 Bestimmtheitsmaß R 2 adj. 0,347 0,348 0,347 0,347 Die beiden einzigen statistisch signifikanten Ergebnisse der vier Regressionsrechnungen (eine für das ESG- Gesamtrating sowie jeweils eine für jeden der drei Einzelfaktoren) sind, dass die monatliche Aktienrendite als abhän- gige Variable durch die Dispersion des ESG-Gesamtratings und des Umweltratings (E-Faktor) erklärt werden kann. Die Koeffizienten sind in beiden Fällen positiv. Aktionäre verlangen also eine Renditeprämie für große Streuungen von Nachhaltigkeitsratings. Standardfehler in Klammern. Quelle: Studie » Abweichungen bei ESG-Ratings hängen auch von der Branche des Zielunternehmens ab. « Dr. Philipp Krüger, Associate Professor of Responsible Finance an der Universität von Genf, Schweiz 120 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | E SG- B EWERTUNG FOTO: © UNIVERSITÄT VON GENF

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