Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Ukrainekrieges stellt die BaFin ihre Richtli- nie für nachhaltige Investmentvermögen vorerst zurück. Hintergrund sei das dynami- sche regulatorische, energie- und geopoliti- sche Umfeld, erklärte BaFin-Präsident Mark Branson auf der Jahrespressekonfe- renz der BaFin am 3. Mai. „Für eine dauer- hafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil“, betont der BaFin- Chef. Er beantwortete auch die Frage, welche Rolle die BaFin als Aufsicht spielt: „Es gehört nicht zu unserem gesetzlichen Auftrag, umweltpolitische Ziele zu verfolgen. Das ist Sache der Politik. Unsere Aufgabe besteht darin sicherzustellen, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsrisiken im Griff haben. Es sind also Finanzrisiken, mit denen wir uns beschäftigen, zum Bei- spiel Stranded Assets in den Bilanzen von Banken oder Anlageportfolios von Ver- sicherern. Wir werden uns auch für Trans- parenz einsetzen und die Qualität der Offen- legung kontrollieren. Außerdem wollen wir irreführende Vermarktung verhindern, um Verbraucher zu schützen.“ Er stellt auch klar, dass derzeit keine neuen Anforderungen an Asset Manager gestellt werden: „Kapitalverwaltungsgesell- schaften können selbstverständlich weiter- hin nachhaltige Investmentvermögen auf- legen und vermarkten. Wir werden in unse- rer Praxis bestimmte Grundsätze anwenden, die wir bereits zur Konsultation gestellt hat- ten. So müssen zum Beispiel nachhaltige Fonds mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren, mit mindestens 75 Prozent des Investmentvermögens eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen oder einen nachhaltigen Index abbilden. Durch diese strengeren Prüfungspraktiken schüt- zen wir Fondsanleger vor Greenwashing.“ Was der Krieg auch bewirkt hat, ist das Gefühl, dass Staaten über ihre Regulatoren an Unternehmen deutlich höhere Anforde- rungen stellen als an sich selbst. „Ich sehe da eine Asymmetrie bei der Offenlegung der Strategie und bei der Haftung“, sagt Heinz-Werner Rapp. „Wir als Institut sind verpflichtet, eine ausführliche Strategie niederzuschreiben. Wir müssen erklären: Wenn dies passiert, tun wir Folgendes. Wir müssen unglaublich viele Daten und Doku- mente vorhalten. Wenn eine Regierung das nur ansatzweise ähnlich tun würde, wären wir jetzt vermutlich in einer besseren Situa- tion“, meint Rapp. „Haftungsverteilungswut“ Auch die Haftung sei ungleich verteilt. „Die Regulatoren überziehen uns mit einer Regulierungs- und Haftungsverteilungswut. Jetzt stellt man fest, dass die Bundesregie- rung selbst große Fehler in der Risiko- einschätzung gemacht hat, beispielsweise gegenüber Russland oder bezüglich der Ab- hängigkeit in der Energieversorgung. Oder es geht eine wichtige Akte der Klimastif- tung MV, die den Ausbau der Pipeline Nord Stream 2 vorantreiben sollte, verloren. Wer haftet?“ Seiner Meinung nach ist die Bun- desregierung in den letzten 20 Jahren ohne erkennbare Strategie vor sich hin gestolpert. „So dürften wir in der Finanzbranche nicht arbeiten. Uns hätte man längst die Lizenz entzogen, und die Geschäftsleitung müsste haften“, meint Rapp. Er schlägt vor, in der Bundesrepublik einen Thinktank, eine Art ständigen Strategierat, einzurichten nach dem Beispiel Singapurs. „Singapur ent- wickelt klare Langfristpläne. Da hat man das Gefühl, dass sie eine perspektivische Ausrichtung haben und wissen, was sie tun.“ Er verweist auch auf BMW, wo jede Investitionsentscheidung vorab mit einem geopolitischen Filter durchleuchtet wird. „Geopolitische Risiken haben ihren Preis, und sie werden auch mal schlagend. Die Staaten haben die Risiken, die von Putin ausgehen, sträflich unterschätzt, obwohl es klare Signale für deren Existenz gab.“ MaRisk für Staaten Die Banken haben eine gute Idee, wie Staaten die Risiken, die durch den Krieg evident wurden, künftig managen könnten, sagt eine Beraterin, die viel mit den Mindest- anforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und Bankenregulierung zu tun hat. Sie nennt einige Beispiele aus dem Werkzeugkasten der Bankenregulierung: Die Großkredit-Richtlinie forderte, dass Banken ihre Risiken granular verteilen sol- len, um eine Risikoklumpung zu vermeiden. Ein Kunde musste dabei mit seinen Kredi- ten unterhalb von 25 Prozent der Eigenmit- tel des Kreditinstituts bleiben. Übertragen auf staatliche Risikoüberlegungen, wäre mit einer ähnlichen Regelung der Bezug von 50 Prozent des Gasbedarfs von einem einzigen Lieferanten nicht möglich gewesen. Das Know-your-Customer-Prinzip (KYC) fordert, dass Banken sowohl ihre Kunden als auch ihre Gegenparteien durchleuchten müssen. Bei Einräumung eines Kreditrah- mens müssen sie sie auch einer Bonitätsbe- urteilung unterziehen. Bei Nichteinhaltung drohen dem Institut empfindliche Geldstra- fen, Haftstrafen für leitende Mitarbeiter oder sogar der Entzug der Geschäftserlaubnis. Kein Institut sollte sich als „too big to fail“ betrachten und daher bewusst unverhältnis- mäßig hohe Risiken eingehen. Für den Fall, dass ein Institut doch strauchelt, sind die Banken aufgefordert, ein „Testament“ zu schreiben. Darin sind Prozesse zu beschrei- ben, die im Fall einer Abwicklung des Instituts Anwendung finden sollen. Solche Prinzipien würden womöglich auch Regierungen gut anstehen, aber zuge- gebenermaßen musste es auch bei den Banken erst zu einer Finanzkrise kommen, bevor sich die Regulatoren daranmachten, den Finanzsektor wirksam zu regulieren. Klar ist aber, dass die Regulierung das Bankensystem erheblich widerstandsfähiger gemacht hat, als es noch vor zehn Jahren war. Natürlich bedeuten die Vorsichtsmaß- nahmen eine große Kraftanstrengung – und sie erfordern bis zum heutigen Tag enorme Ressourcen. Wenn westliche Staaten ihre Risiken ähn- lich managen würden, wie der Finanzsektor es bereits tun muss, würden künftig vermut- lich sowohl die Friedens- als auch die Glo- balisierungsdividende schmäler ausfallen. Risikomanagement gibt es eben nicht um- sonst! ANKE DEMBOWSKI » Es gehört nicht zu unserem gesetzli- chen Auftrag, umweltpolitische Ziele zu verfolgen. Das ist Sache der Politik. « Mark Branson, Präsident der BaFin 102 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com SCHWERPUNKT UKRA I NE UKRA I NE UND E SG FOTO: © MAURICE KOHL

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