Institutional Money, Ausgabe 2 | 2022

Andere Wege Volker Schilling, Mitglied des Vorstands des Asset Managers Greiff AG, will die Rüstungsfrage auf jeden Fall aus der EU-Taxonomie draußen lassen: „Wenn wir jetzt aufgrund des Ukrainekrieges die EU-Taxonomie ändern, torpe- diert das noch weiter die Glaub- würdigkeit der Taxonomie. Wir bei Greiff AG bewerten nicht neu, sondern halten an unserem Koordinatensystem fest. Wir ha- ben vor dem Krieg nicht in Rüs- tung investiert und tun es auch jetzt nicht.“ Er gibt zwar zu, dass man Themen wie die Verteidi- gungsbereitschaft oder die Ener- gieunabhängigkeit jetzt in einem anderen Licht sehen könne, aber das müsse anders gelöst werden. „Das geht nicht über die Taxono- mie, sondern dafür müssen ande- re Lösungen gefunden werden.“ Wenn der Staat jetzt Themen wie Verteidigungsbereitschaft oder Energieunabhängigkeit fördern wolle, müsse er den entsprechenden Bran- chen oder Unternehmen anderweitig einen Zugang zum Kapitalmarkt oder zu Finanz- mitteln schaffen. „Man darf die Taxonomie nicht überfrachten. Vielleicht rächt sich jetzt, dass man Kern- und Gasenergie in die Taxonomie aufgenommen hat, weil das die Hoffnung weckte, alles sei über die Taxo- nomie zu lösen. Das geht aber nicht!“, meint Schilling. Macht des Kapitalmarktes überschätzt Jennifer Wu, Global Head of Sustainable Investing bei J.P. Morgan Asset Manage- ment, verweist ebenfalls auf die Politik – die müsse am Ende auf derlei Fragen eine Antwort finden. „Ich glaube, dass die Macht des Kapitalmarktes zu hoch einge- schätzt wird, vor allem bei vielen sozialen Fragen. Ich denke, dass es die politischen Entscheidungsträger sind, die hier die Ver- antwortung tragen. Sie müssen den Kurs bestimmen, und am Ende haben sie mehr Macht als der Kapitalmarkt. Wir können die Finanzierung bereitstellen, aber für den Kapitalmarkt ist es schwer, die Moral zu definieren.“ (Das gesamte Interview mit Jennifer Wu ist in diesem Heft zu finden.) Bei Amundi unterscheidet man zwischen nichtkonventionellen und konventionellen Waffen und teilt auf Nachfrage von Insti- tutional Money mit: „Wir haben nichtkon- ventionelle Waffen und alle Aktivitäten, die verboten sind, durch die Verträge, denen Frankreich beigetreten ist, aus all unseren Fonds ausgeschlossen. Insbesondere halten wir uns an die Übereinkommen von Ottawa (1999) und Oslo (2010), die die Herstel- lung, den Einsatz, die Lagerung und den Transfer von Antipersonenminen (APMs) und Streubomben verbieten. Amundi schließt auch Unternehmen aus, die chemi- sche, biologische oder angereicherte Uran- waffen herstellen, lagern oder damit han- deln.“ Für den konventionellen Verteidi- gungssektor wendet Amundi hingegen keinen systematischen Ausschluss auf Kon- zernebene an, auch nicht für ESG-Fonds. „Eine Aktie dieses Sektors mit einem hohen E-, S- und G-Rating ist potenziell investier- bar, aber einige Nachhaltigkeitsfonds haben breite Sektorausschlüsse, die diesen Sektor tangieren können, beispielsweise Österrei- chisches Umweltzeichen, belgisches To- wards Sustainability oder deutsche FNG- Siegel-Fonds.“ Walter Liebe, Head of Intermediaries Germany bei Pictet Asset Management, erklärt: „Kürzlich noch weitgehend ge- schmäht, wird heute die Fähigkeit zur Selbstverteidigung von manchen Investoren neu bewertet. In unserer Security-Strategie sind und bleiben Rüstung, Waffen, Kampf- drohnen und ,Military Contracting‘ ausge- schlossen, da wir den Sicherheitsbegriff hier eindeutig einschränken. Waffen in den fal- schen Händen sind gefährlich und schäd- lich, und die Letztverwendung lässt sich nicht realistisch sicherstellen. Daher bleibt es ausgeschlossen.“ Ein anderer großer Asset Manager erklärt auf Nachfrage von Institutional Money, dass das hauseigene Aktienmanagement derlei Fragestellungen bereits an die ESG-Abtei- lung weitergegeben habe, diese sich dazu aber noch nicht geäußert hätte. Man arbeitet also an dem Thema. Versorgungssicherheit Neben der Rüstungsfrage sind auch die Themen Versorgungssicherheit und Liefer- kettenanfälligkeit in den Vordergrund ge- rückt. „Keiner kann sich jetzt dem Realitäts- schock entziehen. Wir erkennen jetzt, dass wir bestimmte Realitäten stärker zur Kennt- nis nehmen müssen, als wir das womöglich in der Vergangenheit getan haben“, erklärt Dr. Heinz-Werner Rapp, der neben seiner Position im Institut auch Chief Investment Officer des Investmenthauses Feri ist. „Manche Ziele müssen vor andere rücken. Es kommt jetzt zu einem Prioritäten- wechsel, beispielsweise weil wir Dinge wie die Energieversorgung oder den Frieden nicht mehr einfach als gegeben ansehen können“, so Rapp. Er verweist auf das Thema Kernkraft, bei dem es keine echte Annäherung, sondern lediglich faule Kompromisse gegeben hätte. » In unserer Security-Strategie sind und bleiben Rüstung, Waffen, Kampfdrohnen und Military Contracting ausgeschlossen. « Walter Liebe, Head of Intermediaries Germany bei Pictet Asset Management » Wenn wir jetzt aufgrund des Ukrainekrieges die EU-Taxonomie ändern, torpediert das deren Glaubwürdigkeit noch weiter. « Volker Schilling, Mitglied des Vorstands der Greiff AG 100 N o. 2/2022 | www.institutional-money.com SCHWERPUNKT UKRA I NE UKRA I NE UND E SG FOTO: © GREIFF AG, PICTET AM, CHRISTOPH HEMMERICH, BAYERNINVEST

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