Institutional Money, Ausgabe 1 | 2022

chend komplexe Szenarioanalysen erlauben es, die möglichen Auswirkungen, die speziell die gegen Russland verhängten Sanktionen langfristig zeigen können, zu modellieren – inklusive der direkten und indirekten Risiken, die sich daraus ergeben können. Ergeben sich nicht auch Chancen, etwa in puncto Rohstoffinvestments oder Energie- wirtschaft? Stephen Cohen: Das Thema Energieversor- gung steht seit geraumer Zeit im Vorder- grund. Energie insgesamt bleibt ein zentra- les Investmentthema für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Natürlich sind Aspekte wie die Versorgung mit Energie und vor allem der enorme Anstieg der Ener- giepreise inzwischen ins Zentrum der ge- samten Gesellschaft gerückt. Wir beobach- ten aber schon seit sechs, wenn nicht zwölf Monaten, dass gerade das Thema Energie in all seinen Facetten bei Investoren deutlich stärker im Fokus steht. Das sich worin genau ausdrückt? Stephen Cohen: Der Bereich der erneuerbaren Energien war im vergangenen Jahr nicht umsonst einer unserer bedeutendsten Wachstumsbereiche. Das kann insofern nicht verwundern, als das Ziel einer noch weiter zunehmenden Dekarbonisierung im Prinzip jede Branche und jedes Unterneh- men betrifft. Vergleichbares trifft im Übri- gen auch auf das Thema Rohstoffe zu. Auch hier hat die Nachfrage nach entsprechenden Investments bereits vor rund einem Jahr deutlich zugenommen. Im weiteren Verlauf kam dann eine deutlich steigende und in- zwischen anhaltend hohe Inflation hinzu, die für zusätzlichen Schub gesorgt hat. Aber bleiben wir kurz beim Thema Energie. Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Black- Rock einerseits die Bedeutung eines soge- nannten Stakeholder-Kapitalismus hervor- hebt und gleichzeitig der größte Investor in fossile Brennstoffe ist? Stephen Cohen: Wir haben mehrfach öffent- lich erklärt, dass es vereinbar ist, in fossile Brennstoffe zu investieren und sich gleich- zeitig dem Netto-Null-Ziel und der Dekar- bonisierung verpflichtet zu sehen. Nur als Investor im Auftrag unserer Kunden haben wir die Möglichkeit, die Unternehmen bei ihrem Übergang hin zu einer zukünftig sau- bereren Energieversorgung zu unterstützen. Auch vor den aktuellen Entwicklungen war deutlich, dass wir noch für geraume Zeit auf Öl angewiesen sein werden, bis wir er- neuerbare Energiequellen weiter ausgebaut haben. Die Energieunternehmen haben die Bilanzen, um den Übergang voranzutreiben, und sie verfügen über das technische Know-how des Sektors. Demnach sehen wir sie eher als Teil der Lösung denn als Teil des Problems an. Im Grunde knüpft das sogar an den Gedanken des Stakeholder- Kapitalismus an. Wie meinen Sie das? Stephen Cohen: Damit gemeint ist doch die Notwendigkeit, Verantwortung zu überneh- men. Wir wollen, dass das Kapital unserer Kunden in die besten Unternehmen inves- tiert wird. Wir glauben, dass die besten Unternehmen diejenigen sind, die sich ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst sind. Diese besondere Verantwortung tragen sie nicht nur gegenüber Mitarbeitern und Kun- den, sondern auch gegenüber Lieferanten und der gesamten Region, in der sie aktiv » Auch vor den aktuellen Entwicklungen war deutlich, dass wir noch für geraume Zeit auf Öl angewiesen sein werden, bis wir erneuerbare Energiequellen weiter ausgebaut haben. « Stephen Cohen, EMEA-Chef von BlackRock 58 N o. 1/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | S T E PHEN COHEN | B LACKROCK FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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